Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Zweiter Teil. Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. (25)

292 II. 5. Die Wiederherstellung des preußischen Staates. 
lich, weil die Fortdauer großer Lasten doch Unzufriedenheit nährt und 
bei den Waffen in der Hand des Volks gar zu leicht gefährlich werden 
kann.““) 
In den Marken viel Klagen, weil „die alte Verfassung unter die 
Füße getreten sei“, viel Angst vor der drohenden Ubermacht der Bürger 
und Bauern. Am freisinnigsten zeigte sich der Adel der Altmark; er hatte 
unter der westfälischen Herrschaft manches alte Vorurteil verlernt und 
sprach zumeist für die Vertretung des Bauernstandes. Die Bauern der 
Kurmark aber, stolz auf die neuen Kreisversammlungen, bezweifelten gar 
nicht, daß sie auch in den Ständen ihren Mann stehen würden. Der 
Führer der Feudalen, Minister von Voß-Buch, hielt sich noch behutsam 
zurück; eine Konstitution nach dem Geiste der Zeit sei fast unvermeidlich, 
man könne aber vorerst nur mit einer ständischen Verfassung beginnen; 
also Provinzialstände nach Anhörung der alten Stände. — Nirgends er- 
schien der alte Klassenhaß so schroff wie in Sachsen. Hier wurde die „Reife“ 
der Bauern von den meisten bezweifelt, von allen aber das Steuerbe- 
willigungsrecht für die Provinz verlangt. Man erinnerte wehmütig an 
die Verschwendung der polnischen Auguste; ein tüchtiger Mann, von Berlepsch, 
erklärte, diese Geldsorge sei in Sachsen der einzige politische Gedanke. Wie 
schwierig das Verfassungswerk auch weltkundigen Männern erschien, das 
lehrt ein Votum des Grafen Wintzingerode-Bodenstein. Der hatte einst 
mitgeholfen, als Friedrich von Württemberg die schwäbischen Territorien 
zu einem „Reiche“ zusammenschlug; doch in einem Großstaate sei ein 
solches Verfahren nicht anwendbar, hier müßten die alten Landschaften her- 
gestellt, die kurmainzische Landtagsordnung für das Eichsfeld mit einigen 
Verbesserungen wieder aufgerichtet werden. 
Nur einer der drei Minister, Beyme, fügte den Reiseberichten eine 
Darlegung seiner eigenen Ansicht hinzu. Er spricht in Hardenbergs Sinne, 
bekämpft die alten Stände als „eine Geburt der finsteren Zeiten des 
Mittelalters, welche das helle Tageslicht nicht vertragen könnte.“ Er sieht 
in Amerika „das Ideal einer Verfassung“, fordert für Preußen eine Ver- 
tretung der drei Stände, vorläufig in einer Kammer, bis sich dereinst ein 
lebensfähiger Adel bilde, rühmt die Bauern als den jugendlichsten und 
gesündesten der Stände, das Rheinland als die aufgeklärteste Provinz. 
Volle Offentlichkeit für Reichstag, Provinzialstände und Kreistage. Dazu 
Grundrechte, den heute bestehenden fast gleich, auch Schwurgerichte für 
Preßvergehen. — Gewissenhaft wurde von allen drei Abgesandten die Auf- 
gabe gelöst, „das Jemals-Bestandene" zu erforschen. Altenstein ließ sich's 
nicht verdrießen, in den zahlreichen Territorien, welche die neuen westlichen 
Provinzen bildeten, die Syndici und andere Würdenträger der alten Land- 
tage aufzusuchen. Es waren zumeist ehrwürdige Herren, hoch in den 
  
*) Vorks Votum, Klein-Oels 12. Sept. 1817.
	        
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