Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Zweiter Teil. Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. (25)

Wessenbergs Romfahrt. 367 
weiter führen, und die Kurie war klug genug vorläufig zu schweigen. Rom 
konnte warten, denn der Großherzog wünschte dringend die Errichtung 
eines badischen Landesbistums, und diese war unmöglich ohne den Papst. 
Noch blieb eine Hoffnung: — der Bundestag. In einer ausführlichen 
Denkschrift (vom 17. Mai 1818) legte der Karlsruher Hof dem Deutschen 
Bunde den Hergang dar und erklärte schließlich, er halte den Konstanzer 
Streit „nunmehr für eine allgemeine Kirchenangelegenheit der deutschen 
Nation“. Aber da die Kirchensachen unzweifelhaft nicht zu dem Geschäfts— 
kreise des Bundes gehörten, so wagte Baden nicht einmal einen Antrag 
in Frankfurt zu stellen, und der Bundestag vermied jede Besprechung. 
Die Denkschrift wurde fast in alle Sprachen Europas übersetzt, an den 
Höfen und unter dem Klerus weit verbreitet; Rotteck und seine Freunde 
redeten noch eine Weile in den Zeitungen hochpathetisch von dem großen 
„deutschen Kirchenstreite“. Dann erlosch die Bewegung, die niemals tief 
in die Massen des Volks gedrungen war. Nur an den kleinen Höfen 
des Südwestens behauptete Wessenberg noch einigen Einfluß. Sie hatten 
einst aus partikularistischer Angst seine nationalkirchlichen Pläne bekämpft; 
jetzt aber erschien er ihnen als ein brauchbarer Kampfgenosse gegen den 
römischen Stuhl. Auch er selber begann nunmehr die Unausführbarkeit 
seiner früheren Träume einzusehen und veröffentlichte bald nach seiner 
Heimkehr eine anonyme Schrift „Betrachtungen über die Verhältnisse der 
katholischen Kirche Deutschlands“, worin er die Errichtung von Landesbis- 
tümern empfahl, aber zugleich verlangte, daß die deutschen Regierungen, 
so viele sich freiwillig dazu bereit fänden, zusammentreten sollten um 
gemeinsam mit der Kurie zu verhandeln und ihre Landesbischöfe einem 
gemeinsamen Erzbischof unterzuordnen. So schrumpfte die deutsche Na- 
tionalkirche zu einem kirchenpolitischen Sonderbunde deutscher Einzel- 
staaten zusammen. 
Eben diesen Gedanken hatten die Höfe von Karlsruhe und Stutt- 
gart schon seit einiger Zeit ergriffen. Nachdem Bayern in Rom eine so 
schimpfliche Niederlage erlitten, trauten sie sich doch nicht mehr die Kraft 
zu, einzeln bei der Kurie etwas auszurichten; wenn aber Mächte wie 
Baden, Württemberg und Nassau sich zusammentaten, dann mußte der 
Papst unfehlbar nachgeben. Mit Feuereifer betrieb Wangenheim in 
Frankfurt diese Pläne. Hier bot sich ihm endlich die Gelegenheit, den er- 
sehnten Bund im Bunde, die deutsche Trias zu begründen und durch die 
Demütigung Roms die Macht des „reinen Deutschlands“ vor aller Welt 
zu erweisen. Wunderliche Widersprüche vertrugen sich friedlich in diesem 
vielseitigen Kopfe; wie er trotz seiner naturphilosophischen Schwärmerei 
ein doktrinärer Liberaler blieb, so auch ein Vorkämpfer der josephinischen 
Staatsallmacht. Von der Lebenskraft des römischen Stuhls dachte er 
sehr niedrig; er wähnte schon die Anzeichen eines Schismas in Deutsch- 
land zu bemerken, obgleich die ungeheure Mehrheit der deutschen Katho-
	        
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