Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Zweiter Teil. Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. (25)

Uhland. 31 
Liedern vornehmlich verdankte er die Liebe des Volkes, die ihm zuerst in 
der schwäbischen Heimat, dann auch im übrigen Deutschland frohlockend 
entgegenkam bis er endlich der volkstümlichste aller unserer großen Dichter 
wurde. In den schlichten, tief empfundenen Worten von Liebes Leid und 
Freude, von Wanderglück und Abschiedsschmerz, von der Lust des Weines 
und der Waffen fanden alle, Vornehm und Gering, die Erinnerungen 
ihres eigenen Lebens wieder. Zumal die Oberdeutschen fühlten sich an- 
geheimelt, wenn ihnen zwischen den Zeilen des Dichters stets die schwä- 
bische Landschaft mit ihren Rebenhügeln und sonnigen Flüssen, mit ihrem 
heiteren sangeslustigen Völkchen entgegenwinkte. Die einfachen, dem Volks- 
liede nachgebildeten Weisen forderten unwillkürlich zum Singen auf; bald 
wetteiferten die Tonsetzer sich ihrer zu bemächtigen. Die ganze Jugend 
stimmte mit ein. Uhlands Lieder erklangen wo immer deutsche Soldaten 
über Land marschierten, wo Studenten, Sänger und Turner sich zum 
fröhlichen Feste zusammenfanden; sie wurden eine Macht des Segens für 
das frisch aufblühende kräftige Volksleben des neuen Jahrhunderts. Das 
junge im Kriege gestählte Geschlecht drängte überall aus der Stubenluft 
der guten alten Zeit hinaus ins Freie, die deutsche Wanderlust forderte 
ihr Recht, alte halbvergessene Volksfeste gelangten wieder zu Ehren. Der 
neue Volksgesang schlug eine Brücke über die tiefe Kluft, welche die Ge- 
bildeten von den Ungebildeten trennte, führte die Massen, die nichts 
lasen, zuerst in die Kunstdichtung der Gegenwart ein; und wenngleich 
jene köstliche ungebrochene Einheit der nationalen Gesittung, wie sie einst 
in den Tagen der Staufer bestanden, für die gelehrte Bildung der moder- 
nen Welt immer unerreichbar blieb, so war es doch eine heilsame Rückkehr 
zur Natur, daß allmählich mindestens ein Teil der schönsten deutschen 
Gedichte der ganzen Nation lieb und verständlich wurde. Wie schlug dem 
schwäbischen Dichter das Herz, als er die neu erwachende Liederfreude 
seines Volkes sah; voll Zuversicht rief er den Genossen die nur allzu treu- 
lich beherzigte Mahnung zu: 
Singe, wem Gesang gegeben 
In dem deutschen Dichterwald! 
Das ist Freude, das ist Leben, 
Wenn's von allen Zweigen schallt! 
Der schlichte Mann konnte sich nicht satt sehen an dem lärmenden 
Gewimmel der Volksfeste, und das waren ihm die Augenblicke des höch- 
sten Dichterlohnes, wenn er einmal auf einer Rheinreise irgendwo im 
Walde junges Volk mit frischen Stimmen seine eigenen Lieder singen 
hörte, oder wenn ein Tübinger bemoostes Haupt in festlichem Komitat 
über die Neckarbrücke hinauszog und das Abschiedslied „es ziehet der 
Bursch in die Weite“ bis in den Rebgarten des Dichterhauses am Oster- 
berge hinüberklang. 
Wohl umspannten seine Gedichte nur einen ziemlich engen Kreis von
	        
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