Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Zweiter Teil. Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. (25)

426 II. 7. Die Burschenschaft. 
strengen jungen Freunden kürzlich gestickt hatten, dann endlich die Bur— 
schen Paar an Paar, viele schöne germanische Reckengestalten darunter, 
mancher im Vollbart, was bei ängstlichen Gemütern schon als ein 
Zeichen hochverräterischer Gesinnung galt. Allen lachte die Freude aus 
den Augen, jene glückliche Selbstvergessenheit der Jugend, die noch ganz 
im Genusse des Augenblicks aufzugehen vermag; ihnen war, als ob ihnen 
heute zum ersten Male die Herrlichkeit ihres Vaterlandes leibhaftig ent— 
gegenträte. 
Droben im Rittersaale der Wartburg, den der Großherzog gastfreund- 
lich geöffnet hatte, wurde zuerst unter Pauken= und Trommelschall „Eine 
feste Burg ist unser Gott“ gesungen. Darauf hielt der Lützower Riemann 
aus der Fülle seines ehrlichen Herzens heraus eine Festrede, die in hoch- 
pathetischen überschwenglichen Sätzen von den Taten Luthers und Blü- 
chers sprach und dann bei den Geistern der erschlagenen Helden die Bur- 
schen mahnte zum „Streben nach jeglicher menschlichen und vaterländischen 
Tugend"“. Einige der landläufigen Schlagwörter von den vereitelten 
Hoffnungen des deutschen Volks und dem einen Fürsten, der sein Wort 
gelöst, liefen zwar mit unter; das Ganze war ein jugendlich unklarer, 
durchaus harmloser Gefühlserguß, ebenso vieldeutig und unbestimmt, wie 
die neue Losung Volunto! welche die Burschen gern im Munde führten. 
Auch was nachher noch von Professoren und Studenten geredet ward, 
ging nicht über dies Maß hinaus, selbst Oken sprach mit ungewohnter 
Selbstbeherrschung und warnte die jungen Leute vor einer verfrühten 
politischen Tätigkeit. 
Nach dem Mittagsmahle gingen die Burschen zur Stadt hinab in 
die Kirche, wo auch der Eisenacher Landsturm dem Gottesdienste beiwohnte; 
dann gaben noch die Kämpen des Berliner und des Jenenser Turnplatzes 
den staunenden Landstürmern ihre Künste zum besten. Als die Dämme- 
rung hereinbrach, zog man mit Fackeln wieder hinauf nach dem Warten- 
berge, der Wartburg gegenüber, wo mehrere große Siegesfeuer brannten, 
die mit patriotischen Reden und Liedern begrüßt wurden. Bis dahin war 
das Fest in glücklicher Eintracht verlaufen; hier aber ward zum ersten 
Male offenkundig, daß sich bereits eine kleine extreme Partei innerhalb der 
Burschenschaft gebildet hatte: jene fanatischen Urteutonen aus Jahns 
Schule, die man die Altdeutschen nannte. Diese köstliche Gelegenheit für 
eine fratzenhafte Eulenspiegelei konnte sich der Turnmeister doch nicht ent- 
gehen lassen. Er regte zuerst den Gedanken an, dies Lutherfest durch 
eine Nachäffung der kühnsten Tat des Reformators zu krönen und, wie 
einst Luther die Bannbulle des Papstes verbrannt hatte, so jetzt die 
Schriften der Feinde der guten Sache ins Feuer zu werfen. Da die 
Mehrheit des Festausschusses, klüger als der Alte, den Vorschlag ablehnte, 
gab Jahn gleichwohl seinen Berlinern ein Verzeichnis der zu verbren- 
nenden Bücher mit auf den Weg, und diese Getreuen, Maßmann voran,
	        
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