480 II. 8. Der Aachener Kongreß.
den Mißhandelten mit Bitten bestürmt worden, in Aachen liefen noch
andere Beschwerden ein. Bernstorff erstattete dem Kongresse Bericht; er
nannte den schmutzigen Handel einen europäischen Skandal; er verlangte,
daß Kurhessen „nach Preußens gutem Beispiel“ die gesetzmäßigen Hand-
lungen der westfälischen Regierung als rechtsgültig anerkennen müsse.
Er beantragte endlich, zunächst sollten die vier Monarchen dem Kurfürsten
seinen Vertragsbruch vorhalten; sei dies vergeblich, dann müßten Preußen
und Osterreich am Bundestage gemeinsam einschreiten. Da England und
Rußland beistimmten, so durfte Osterreich nicht widersprechen. Nun sendete
König Friedrich Wilhelm ein scharfes Handschreiben an den Kurfürsten:
„wir handeln“, sagte er darin, „nur kraft einer Pflicht, welche unserem Ge-
wissen als gebieterisch erscheint.“ Ahnlich schrieb Kaiser Franz. Trotz-
dem blieb es noch sehr zweifelhaft, ob Osterreich am Bundestage endlich
Ernst zeigen würde, und ganz sicher, daß dieser Kurfürst nur durch Zwang
zur Vernunft gebracht werden konnte.“)
Von der unglaublichen Anmaßung der deutschen Kleinfürsten sollte
Preußen eben jetzt einen neuen Beweis erhalten. Durch die Wiener
Verträge war die Krone Preußen verpflichtet worden, 69,000 „Seelen“
von dem vormaligen Saardepartement an Oldenburg, Strelitz, Koburg,
Homburg und Pappenheim abzugeben; zugleich hatten die vier Mächte
diesen fünf Dynasten ihre guten Dienste zugesagt, um einen Austausch
des linksrheinischen Landstrichs oder irgend eine andere Entschädigung
wenn die Umstände es erlaubten, zu ermöglichen. Strelitz und Pappen-
heim waren verständig genug gewesen, sich von Preußen mit Geld und
Domänen absinden zu lassen; Oldenburg aber, Koburg und Homburg
hatten auf die Vergrößerung ihrer Reiche nicht verzichten wollen und in
der Tat drei Fetzen des Saarlandes mit der vertragsmäßigen Seelen-
zahl zugewiesen erhalten. So prangten denn in der reichhaltigen politi-
schen Kuriositätenkammer des Deutschen Bundes auch die Doppelreiche
Oldenburg-Birkenfeld, Koburg-Lichtenberg und Homburg-Meisenheim, drei
Staatsgebilde, wie sie die Phantasie eines Tollhäuslers nicht wundersamer
ersinnen konnte. Aber der Vertrag war gewissenhaft erfüllt und ein Aus-
tausch nicht mehr möglich, weil in ganz Deutschland nirgends mehr ein
herrenloser Brocken Landes übrig blieb. Nichtsdestoweniger stellten die
drei an den Aachener Kongreß das Ansinnen: die Quadrupelallianz solle
den König von Preußen bewegen, daß er ihnen ihre entlegenen Saar-
landschaften wieder abnehme und dafür einige bequemer gelegene preußische
Gebiete ausliefere. Oldenburg verlangte ein gutes Stück vom preußi-
schen Westfalen, Homburg einen Landstrtch bei Wetzlar, Koburg einen
Teil der Grafschaft Henneberg, und der Witwer der englischen Kron-
„# Protokoll der 32. Sitzung vom 14. Nov. König Friedrich Wilhelm an Kur-
fürst Wilhelm, 14. Nov. Weisung an Hänlein, 20. Nov.