Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Zweiter Teil. Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. (25)

Die Saarlande. Kniphausen. 481 
prinzessin, Prinz Leopold von Koburg, einer jener geistreichen Deutschen, 
welche ihr Volkstum wie einen Mantel zu wechseln verstehen, richtete an 
Lord Castlereagh die Aufforderung, daß England sich der gerechten Sache 
„seines armen Bruders“ annehmen möge. Diese Zumutung war doch 
selbst der Langmut Hardenbergs zu arg. In einer zornigen Denkschrift 
sprach er sein Befremden aus: Preußen sei wahrlich schon zerstückelt genug 
und keineswegs in der Lage, „sich seine Grenzen nach dem Belieben und 
der Bequemlichkeit seiner Nachbarn verändern und zernagen zu lassen“; 
seinem Könige errege jede Trennung von treuen Untertanen, wie den 
Verbündeten wohl bekannt sei, „religiöse Gewissensbedenken“. Selbstver- 
ständlich wurden die Drei abgewiesen, und das Haus Koburg sollte an den 
20,000 Seelen seines Saarlandes Lichtenberg noch viel Herzeleid erleben.) 
Inzwischen waren auch dringende Beschwerden der Mediatisierten ein- 
gelaufen und Bernstorff erfuhr jetzt, was es bedeutete, daß Metternich 
die Hauptartikel der Deutschen Bundesakte in die Wiener Schlußakte hatte 
einrücken lassen. Die beiden deutschen Großmächte konnten dem Vier- 
bunde die Einmischung in diesen deutschen Streit, der mit den europä- 
ischen Verträgen eng zusammenhing, nicht gänzlich verbieten, indes wußten 
sie dieselbe auf das geringste Maß zu beschränken. Man beschloß, daß 
der Vierbund zunächst die Höfe von Württemberg, Baden und beiden 
Hessen, die sich besonders ungerecht betragen hatten, zu einem ehrenhaften 
Verhalten gegen die Mediatisierten ermahnen, das Weitere dem Bundes- 
tage überlassen solle. Auch das Haus Thurn und Taxis, das durchaus 
noch souverän werden wollte, vertröstete man auf den Bundestag.) 
Nun kam noch jener unglückliche Dynast, welchen der Wiener Kongreß 
gleich dem Landgrafen von Homburg sträflich vergessen hatte, der Graf von 
Bentinck, Herr der freien Herrschaft Kniphausen. Homburg hatte soeben 
durch die Gunst der beiden Großmächte noch nachträglich das Stimmrecht am 
Bundestage erlangt, dem Kniphausener war es übler gegangen. Er mußte 
erleben, daß Oldenburg sein Land widerrechtlich besetzte, verbarrikadierte 
sein Schloß, erließ einen wütenden Protest nach dem andern als im- 
mediatus Imperii dynasta und erregte einen Lärm, der einer größeren 
Sache würdig war. Unbestreitbar lag hier eine europäische Frage vor, 
da über die Zugehörigkeit Kniphausens zum Deutschen Bunde noch nichts 
entschieden war. Die freie Herrschaft war Jahrhunderte lang reichs- 
unmittelbar, wenngleich ohne Reichsstandschaft, und ihre Schiffe segelten 
unter eigener Flagge; sie war dann eine Zeitlang dem napoleonischen Kaiser- 
reiche einverleibt, doch niemals einem deutschen Staate untergeordnet wor- 
den, und der streitlustige kleine Herr verdiente einige Rücksicht, weil er seinen 
  
*) Hardenbergs Denkschrift über den Art. 50 der Wiener Schlußakte. Protokoll 
der 27. Sitzung vom 9. Mai 1818. 
**) Weisung an die preußischen Gesandten in Stuttgart, Karlsruhe ufsw., 
21. Nov.; Hardenberg an die Fürstin von Taxis, 15. Nov. 1818. 
v. Treitschke, Deutsche Geschichte. II. 31
	        
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