486 II. 8. Der Aachener Kongreß.
gebungen Hardenbergs, und nun brach auf den Universitäten ein Sturm
los, noch lauter und wilder als vorm Jahre das Wutgeschrei gegen
Kotzebue. Also bereits der dritte Halbrusse, der sich gegen die deutsche
Burschenherrlichkeit erhob! Der federfertige Leipziger Philosoph Krug trat
als literarischer Gegner in die Schranken; die Jenenser Burschenschaft
beschloß den Walachen zu züchtigen und ließ ihn, damit er sich nicht hinter
Standesrücksichten verschanze, durch zwei junge Grafen aus ihrer Ver-
bindung auf Pistolen fordern. Stourdza lehnte gleichwohl ab, weil sein
Aufsatz eine amtliche Denkschrift sei, und beeilte sich den ungastlichen
Boden Deutschlands zu verlassen. An den Höfen erregte dies terroristische
Gebaren der Burschen, das nach altem Studentenbrauch doch gar nicht
ungewöhnlich war, neuen Schrecken; Gentz glaubte fortan steif und fest,
daß in Jena eine geheime Vehme hause, die ihre Assassinen durch Deutsch-
land sende. Zu allem Unheil warf Kotzebue nochmals Scheiter in die
Flammen, indem er deutlich zu verstehen gab, die Denkschrift Stourdzas
spräche die Ansichten des Zaren selber aus. Seitdem wähnten die Stu-
denten allesamt, daß die deutsche Reaktion von Petersburg ausgehe;
der Haß der Burschen gegen Rußland kannte keine Grenzen mehr, und der
triviale Spötter in Weimar, dem die Jenenser einen mächtigen Einfluß auf
die moskowitische Politik andichteten, ward durch Schimpf und Drohungen
dermaßen mißhandelt, daß er nach Mannheim überzusiedeln beschloß.
Der Verdacht der jungen Leute entbehrte jedes Grundes. Kaiser
Alexander enthielt sich auf dem Kongresse sorgsam aller Vorschläge für
die deutsche Bundespolitik und äußerte nur gelegentlich, wie Richelieu und
Wellington, seine Angst vor der deutschen Revolution. Seit seiner plötz-
lichen Bekehrung war die Leitung der Quadrupelallianz tatsächlich auf
die Wiener Hofburg übergegangen, obgleich die klugen österreichischen
Staatsmänner dem Zaren gern gestatteten, daß er vor der Welt noch
zuweilen die Rolle des Führers spielte. Metternich war das Haupt der
Reaktion, in Deutschland wie in Europa, und bot noch in Aachen alles
auf, um zunächst Preußen dem Liberalismus zu entreißen. In freund-
schaftlichen Unterredungen stellte er dem Staatskanzler vor, wie bedrohlich
der Geist des Besserwissens und der rücksichtslosen Kritik im preußischen
Beamtentum überhandnehme; dazu der Ubermut der Jugend und die
Zuchtlosigkeit der Presse. Hardenberg besprach sich darauf mit Bernstorff
und Altenstein, der nach Aachen berufen ward, und da beide jene Miß-
stände nicht ganz in Abrede stellen konnten, so sagte er seinem österreichi-
schen Freunde zu, die Krone selbst werde dawider einschreiten.)
Minder glücklich verlief ein schüchterner Versuch Metternichs, die
preußische Zollreform, noch bevor sie in Kraft getreten war, zu hinter-
treiben. Die zwingenden staatswirtschaftlichen Gründe, welche das neue
*) Hardenbergs Tagebuch, 11. Januar 1819.