Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Zweiter Teil. Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. (25)

Humboldt in das Ministerium berufen. 497 
der üblichen lakonischen Form gehaltene Kabinettsordre teilte dem neuen 
Minister seine Bestimmung mit; denn nach dem Staatsrechte der absoluten 
Monarchie war die Berufung zu einem Ministerposten ein königlicher Befehl 
wie andere auch, ein Befehl, dem jeder aktive Staatsdiener unweigerlich 
zu gehorchen hatte. In einem freundschaftlichen Briefe fügte Hardenberg 
noch den deutlichen Wink hinzu, er arbeite jetzt an dem Verfassungsplane 
und denke seinen Entwurf dem neuen Kollegen späterhin mitzuteilen.“) 
Gleichwohl mißverstand Humboldt die Absicht des Königs vollständig. 
Er glaubte, daß er selber den Verfassungsentwurf erst dem Ministerium, 
dann dem Monarchen unterbreiten sollte, dankte tiefgerührt für diesen 
Beweis des königlichen Vertrauens, erklärte sich bereit „diesem Geschäfte 
sein ganzes Dasein zu opfern“, bat aber um die Erlaubnis zu einer Reise 
nach der Hauptstadt: nur dort könne er die Verhältnisse übersehen und 
einen Entschluß fassen (24. Jan.). Als dieser Brief und ein zweiter ähn- 
lichen Inhalts an den Staatskanzler in Berlin eintraf, da brach Harden- 
bergs lange verhaltener Groll in hellen Flammen aus. Er sah sich an- 
gegriffen in den Prärogativen seines Amts — denn Humboldt hatte in 
seinem Schreiben an den König der Rechte des Staatskanzlers nicht ein- 
mal gedacht — und entwarf eigenhändig eine scharfe Kabinettsordre 
(31. Jan.), welche den Minister kurz und streng über seinen neuen Wir- 
kungskreis belehrte.) 
Nunmehr entschloß sich Humboldt zu einem zweiten, sehr ausführ- 
lichen Schreiben an den König, das einer Kriegserklärung gegen Harden- 
berg gleichkam. Nochmals bat er um seine Abberufung aus Frankfurt 
damit er in Berlin sich unterrichten und dann sich erklären könne: sein 
Hauptbedenken sei die Frage, ob er die Unabhängigkeit eines verantwort- 
lichen Ministers erhalten, ob er das Recht haben werde, dem Monarchen 
über alle Angelegenheiten seines Departements unmittelbar zu berichten. 
Hardenberg erwiderte in einigen Randbemerkungen, deren leidenschaftlicher 
Ton von der gewohnten urbanen Sprache des feinfühlenden Mannes 
seltsam abstach. Hier galt es dem Todfeinde, dem einzigen Gegner, den 
er unversöhnlich haßte; „was will er denn? warum dann das weitläufige 
Geschreibe?"“ fragte er wiederholt. Das Geschrei der Zeitungen, die den 
neuen Minister schon im voraus als den Vater der preußischen Ver- 
fassung feierten, hatte den Unmut des Staatskanzlers zum Ulberlaufen 
gebracht. Aber er war im Rechte; denn die Kabinettsordre vom 11. Jan. 
hatte den Ministern soeben erst die Befugnis zugestanden, dem Könige in 
Gegenwart des Staatskanzlers über die Geschäfte ihrer Ressorts Vortrag 
zu halten; der Verfassungsentwurf dagegen konnte nimmermehr als die 
*) Kabinettsordre an Humboldt, 11. Jan. 1819 mit Begleitschreiben des Staats- 
kanzlers. 
*#„) Humboldt an den König, 24. Jan., an Hardenberg, 24. Jan., Kabinettsordre an 
Humboldt, 31. Jan. 1819. 
v. Treitschke, Deutsche Geschichte. I. 32 
 
	        
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