Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Zweiter Teil. Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. (25)

Der württembergische Landtag. 549 
Langsamkeit gesündigt, so betrieb der neue seine Arbeit in rasender Eile, 
weil er den Karlsbader Beschlüssen durch eine vollendete Tatsache zuvor— 
kommen wollte. 
Schon am 18. September war die Beratung beendigt, in zwei 
Tagen hatte man 121 Artikel erledigt. Das früher so leidenschaftlich 
bekämpfte Zweikammersystem wurde jetzt fast ohne Streit angenommen, 
weil die Frage bereits entschieden sei „durch Verhältnisse, deren Berück— 
sichtigung unausweichlich ist.“ Alle Parteien fühlten, daß man den 
von dieser Krone so ungerecht behandelten Mediatisierten irgend ein Zu— 
geständnis bieten müsse um gefährliche Verhandlungen am Bundestage 
zu vermeiden. Von solcher Furcht beherrscht, kam man dem hohen Adel 
sogar allzuweit entgegen und gewährte der Krone nur das Recht, höchstens 
ein Drittel der Mitglieder der ersten Kammer, die geheim tagen sollte, 
zu ernennen, so daß unlösbare Streitigkeiten zwischen den beiden Kammern 
sehr leicht eintreten konnten. Auch das Idol der Altrechtler, die ständische 
Steuerkasse ward nur noch von Uhland und einer kleinen Minderzahl matt 
verteidigt. Die Mehrheit hatte inzwischen gelernt, daß diese altväterische 
Institution sich mit der modernen Staatseinheit nicht vertrug; wir wollen, 
meinte Schott, keine Feudal-, sondern eine Repräsentativverfassung. Bei 
der Schlußabstimmung widersprach niemand mehr, und Uhland fügte 
seinem Ja die feierlichen Worte hinzu: „das wesentliche besteht, vor allem 
jener Urfels unseres alten Rechts, der Vertrag.“ Eine durch F. List ent- 
worfene Adresse von Stuttgarter Bürgern, die sich scharf gegen das über- 
eilte Verfahren der Stände aussprach, ward erst nach Schluß der Be- 
ratungen veröffentlicht. Am 24. September unterzeichnete der König den 
neuen Grundvertrag; die Verfassung kam noch glücklich unter Dach, einen 
Augenblick bevor die Karlsbader Beschlüsse im Lande bekannt wurden. 
Zwei Tage darauf schrieb König Wilhelm an Kaiser Franz, der ihn vor 
dem Abschlusse des Verfassungswerks gewarnt hatte: er habe nicht anders 
gekonnt, wolle aber um dem Kaiser gefällig zu sein die Einberufung des 
neuen Landtags noch verschieben. 
So war denn endlich verwirklicht was der schwäbische Dichter so oft 
gefordert hatte: . 
Daß bei dem biedern Volk in Schwaben 
Das Recht besteht und der Vertrag. 
Die politische Brauchbarkeit der neuen Verfassung wurde freilich durch 
diese vertragsmäßige Entstehung keineswegs erhöht. Statt eines Werkes 
aus einem Gusse hatte man ein mühseliges Kompromiß zustande ge- 
bracht, das viele jetzt nutzlose oder geradezu unmögliche Institutionen des 
altwürttembergischen Ständewesens mit in die neue Zeit hinübernahm. 
So sollte die lutherische Kirche ihren alten reichen Kirchenkasten wieber 
erhalten. Die untertänige Kommission nannte diese Bestimmung „einen 
der schönsten und größten Gedanken, die je ein Regent faßte," und er-
	        
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