Kronprinz Ludwig. Cornelius. 53
Künstler genossen einer königlichen Freigebigkeit, welche von der preußischen
Sparsamkeit glänzend abstach, doch sie fühlten sich in der Fremde und
hatten noch lange unter dem Mißtrauen der einheimischen Bevölkerung
zu leiden; über allem schaltete der launische, unberechenbare Wille Eines
Mannes, der in ungeduldiger Hast von Entwurf zu Entwurf hinüber—
sprang und was er bezahlte ganz unbefangen als sein eigenes Werk be—
trachtete. Der friedliche Wettkampf der beiden Städte beförderte die viel—
seitige Entwicklung unserer Kunst. Er führte zuletzt zu dem natürlichen
Ergebnis, daß die wesentlich monumentalen Künste der Architektur und
Bildhauerei auf dem historischen Boden Berlins ihre größten Erfolge er—
rangen, während die freiere, von der Gunst der Umgebung minder ab—
hängige Malerei in München ihre Heimat fand.
Kronprinz Ludwig hatte schon seit Jahren Ausgrabungen in Grie—
chenland veranstaltet, dann in Italien zusammengebracht was von den
besten Werken der antiken Bildhauerkunst nur irgend aufzukaufen war, und
ließ nun für diese Skulpturensammlung, die schönste diesseits der Alpen,
draußen vor den Toren des alten Münchens durch Klenze einen würdigen
Tempel errichten, die Glyptothek, ganz aus edlem Marmor, mit der ge—
diegenen Pracht südländischer Bauten. Das Gebäude selbst reichte an die
geniale Eigentümlichkeit der Werke Schinkels nicht heran, jedoch an den
Wänden und Decken der prächtigen Säle offenbarte Cornelius zum ersten
Male den ganzen Umfang seiner Begabung. Hier schuf er, als ein Epiker
in Farben, den ersten jener großen Gemälde-Zyklen, in denen der Ideen—
reichtum seines rastlos erfindenden Geistes allein den angemessenen Raum
fand: die grandiosen Bilder aus der hellenischen Sagenwelt. Die Masse
der Münchener spottete über das verrückte Kronprinzenhaus, sie wußte
nichts anzufangen mit der tiefsinnigen Symbolik dieser Gedankenmalerei,
die ihre Werke meist schon im Karton vollendete und auf den Reiz der
Farbe fast gänzlich verzichtete. Ernstere Naturen bewunderten, wie der
verwegene Idealist die keusche Hoheit der Antike so getreu wiedergab
und doch zugleich eine den Alten unfaßbare Macht der Leidenschaft aus
seinen Gemälden sprach; denn niemals hatte ein Künstler des Altertums
eine so ganz von Seelenschmerz zerwühlte Gestalt geschaffen wie diese
trauernde Hecuba. Die christlich-germanischen Heißsporne des römischen
Künstlerkreises bemerkten mit Entsetzen, daß ihr erster Mann sich den ge—
haßten Heiden Winckelmann und Goethe wieder näherte und die von Berlin
ausgehende neuklassische Richtung überall den Sieg davontrug. Die einst
so fruchtbare Schule von S. Isidoro ging allmählich auseinander; ihre
Genossen kehrten heim, die meisten widmeten sich einer streng kirchlichen
Kunst, die nur in Anachronismen lebte. Von den Namhaften hielt nur
Overbeck am Tiber aus, ein treuer Bekenner der alten nazarenischen
Grundsätze. Er aber wußte die enge Welt von christlichen Gestalten, die
ihm die einzige war, durch den Tiefsinn und die Wärme seines gläubigen