Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Zweiter Teil. Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. (25)

Hardenberg über die Ministerkrisis vom Jahre 1819. 639 
Sind die Stände damit einverstanden oder genehmigen ihn mit Modifikationen, 
so geht er an den König zurück. Nur durch königliche Sanktion kann der Entwurf 
zum Gesetz erhoben werden. Er kann sie zu jeder Zeit ganz versagen oder Anderungen 
zur neuen Erwägung verstellen. 
Wie es gehalten werden soll, wenn die Stände ein vorgeschlagenes Gesetz verwerfen, 
ist zu bestimmen. 
Die Kreistage und Provinzial-Landtage haben in ihren Kommunal-Angelegenheiten 
Verwaltungs-Geschäfte; der allgemeine Landtag hat deren keine und gar keine Einmischung 
in die Administration. Diese bleibt der Regierung ausschließlich vorbehalten; jedoch 
sollen den allgemeinen ständischen Versammlungen jährliche Ubersichten der Verwaltung 
von den Ministern vorgelegt werden, besonders die Finanzen betreffend. 
Nach dem Edikt vom 22. Mai 1815 erstreckt sich die Kompetenz der Stände haupt- 
sächlich auf die Gesetzgebung, insonderheit auf solche Gesetze, welche die persönlichen Rechte 
der Staatsbürger und ihr Eigentum, neue Auflagen usw. angehen. Auswärtige 
Verhältnisse, Polizei-Verordnungen und militärische Verhältnisse gehören nicht für sie, 
insofern letztere nicht persönliche Verpflichtungen oder das Eigentum betreffen. 
Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz; Gleichheit der christlichen Konfessionen 
und Duldung und Freiheit aller Religionsübungen; gleiche Pflichten gegen den König 
und den Staat; das Recht eines jeden, auf einen unparteiischen richterlichen Urteils- 
spruch zu provozieren und binnen einer bestimmten Zeit verhört und jenem Urteils- 
spruche unterworfen zu werden; die in der preußischen Monarchie schon lange bestehende 
Unabhängigkeit der Gerichte in Absicht auf ihre richterlichen Aussprüche; die Befugnis 
eines jeden, seine Bitten und Beschwerden in geziemenden Ausdrücken an den Thron 
zu bringen — alles dieses sind Dinge, die in die Verfassung aufzunehmen sind. 
Desgleichen wird näher zu prüfen sein, was in Absicht auf die Verantwortlichkeit 
der Minister und Staatsbeamten, auf die Preßfreiheit und ihre Mißbräuche, auf die 
öffentliche Erziehung, auf die Offentlichkeit der Gerichte und der ständischen Versamm- 
lungen zu bestimmen sei. 
Alles wird dahin gerichtet sein müssen, daß das monarchische Prinzip recht befestigt 
werde, mit dem wahre Freiheit und Sicherheit der Person und des Eigentums ganz 
vereinbar sind, und durch solches am besten und dauerhaftesten mit Ordnung und 
Kraft bestehen. Und der Grundsatz werde aufrecht erhalten: 
Salus publica suprema lex esto! 
  
V. Hardenberg über die Ministerkrisis vom Jahre 1819. 
Zu Bd. II S. 606. 
Hardenbergs Tagebücher sind bekanntlich für die Jahre 1805—13 eine wertvolle, 
zuerst von Duncker, dann von Ranke, Oncken, Hassel u. A. benutzte Geschichtsquelle. In 
der späteren Zeit werden sie immer lückenhafter, obgleich sie auch dann noch dem Sach- 
kundigen einzelne wichtige Aufschlüsse gewähren. Zuweilen hat der Staatskanzler monate- 
lang kein Wort eingetragen oder auch seine Notizen erst nachträglich niedergeschrieben 
(so steht im Jahre 1815 unter dem 16. Juni Ligny, unter dem 18. Belle Alliance ver- 
zeichnet). Über den Ministerwechsel von 1819 sagt das Tagebuch nahezu nichts. Da- 
gegen finden sich in Hardenbergs Nachlaß auf einem losen Blatte einige, offenbar in 
den Weihnachtstagen 1819 niedergeschriebene Bemerkungen, welche klar erkennen lassen, 
wie der Staatskanzler jene Krisis auffaßte. Hier der wesentliche Inhalt. 
 
	        
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