F. Baader. 85
ling einstmals oft zu übereiltem Schaffen verführt und stimmte jetzt den
Mann schweigsam. Nur durch ein vollkommenes Werk meinte der Hoch-
mütige noch sich selber und der staunenden Welt genügen zu können.
Immer wieder verhieß er unter dem Hohngeschrei seiner liberalen Gegner:
„wie ich jetzt reden werde, wird man sehen;“ immer wieder ward sein
großes Werk über die Weltalter angekündigt, nie vollendet. Denn seiner
unruhigen Phantasie wurden die harten Tatsachen der Geschichte auf
die Dauer doch unbequem. Von seinen Weltaltern zog ihn die „künftige
Welt“, die so viel zu ahnen und zu weissagen gab, ungleich stärker an
als die Welt der wirklichen Geschichte. Am liebsten aber verweilte er bei
der Betrachtung der „Urzeit“ und schilderte, im scharfen Gegensatze zu
dem unbedingten Fortschrittsglauben der Aufklärung, wie die glückliche
Menschheit in jenem Zeitalter ursprünglicher Unschuld durch den Unter—
richt höherer Geister die Geheimnisse der Religion empfangen habe. Bald
kehrte der Vielbewegliche auch der Historie wieder den Rücken und verlor
sich in die theosophischen Probleme der Offenbarungsphilosophie; seine ge—
schichtsphilosophischen Ideen aber lebten fort in den Werken von Savigny,
Ritter und Creuzer.
Schelling konnte, selbst wenn seine Phantasie ins Ungemessene schweifte,
den protestantischen Schwaben niemals ganz verleugnen. In der „christ-
lichen Philosophie“ des Bayern Franz Baader hingegen lebte die ganze
Unfreiheit der mittelalterlichen Scholastik wieder auf. Der geistreiche Son-
derling nahm die katholische Dogmatik zur Voraussetzung wie zum Ziele
seines Denkens, und bekämpfte gleichwohl das Papsttum und die Jesuiten
ebenso leidenschaftlich wie den Liberalismus, die Aufklärung und die Staats-
allmacht; in der Vereinigung der römischen, der griechischen und der evan-
gelischen Kirche meinte er das mystische Dreieck, den wahren Katholizismus
gefunden zu haben. Statt der angeblich mechanischen Systeme seiner
Vorgänger dachte er eine dynamische Philosophie, statt der heilandlosen
und darum heillosen Moral Kants eine neue, auf Physik und Religion
begründete Ethik zu schaffen und geriet dabei, obwohl er manche Ver-
irrungen liberaler Verstandesflachheit mit treffenden Worten widerlegte,
selber in ein so krauses Gewirr magischer Vorstellungen, daß sogar der
ewig aufgeregte romantische Enthusiast Steffens das fratzenhafte Treiben
des Münchener Mystagogen nicht mehr mit ansehen mochte. Wie er einst
den Zaren Alexander zur Stiftung der heiligen Allianz angeregt hatte,
so suchte er sein Leben lang das Heil der Völker in einer unklaren Ver-
mischung religiöser und politischer Ideen; sein Staatsideal blieb die „wahre
Theokratie“. — Von Kant, dem deutschesten der Philosophen, wendete sich
die romantische überschwänglichreit erschreckt ab. Statt seiner ward jetzt
Jakob Böhme wieder als der philosophus teutonicus gefeiert, der tief-
sinnige schwärmerische Theosoph, der einst dem wüsten Geschlechte des
dreißigjährigen Krieges sein geheimnisvolles „Überall siehest Du Gott!“