Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

Benzenberg. Bülow-Cummerow. 115 
einem vertraulichen Briefe, „so halte ich es für ein verdienstliches Werk, 
wenn man ihnen einmal erklärt, was dieser siebzigjährige Mann für den 
König und für das Gemeinwesen Alles gethan hat.““) Darum ward 
er auch von der liberalen Presse hart angelassen, und Grävell erwiderte 
ihm in einem „Anti—B—z—b—g"“ nicht jeder Zauderer sei ein Fabius, 
wie viel schneller habe man doch einst in dem aufgeklärten Königreiche 
Westphalen die Steuerreform beendigt! Ja der Verleger der Zeitgenossen, 
Brockhaus selbst verlegte auch den Anti—B—z—b—g und kündigte 
nachher dem Bewunderer Hardenberg's als einem verdächtigen Conser- 
vativen die Freundschaft auf, da „meine Zeitschriften pure dem Liberalis= 
mus und seiner Verbreitung gewidmet sind“. Gleichwohl hatte Benzen- 
berg sich's nicht versagen können, einige halbwahre Schlagwörter des 
Tages auf seinen Gönner anzuwenden: er nannte die Städte-Ordnung 
und die Agrargesetze demokratisch, schilderte den Staatskanzler als einen 
entschiedenen Liberalen, der die Grundsätze von 89 in Preußen verwirk- 
licht und neuerdings nur zum Schein dem Strome der Reaktion nach- 
gegeben habe; er behauptete gar — was der Meinung Hardenberg's 
schnurstracks zuwiderlief —, die am 22. Mai verheißene Repräsentation 
des Volks schließe ihrem Begriffe nach die ständische Vertretung aus. 
In der Geschichte, so weissagte er, wird man die Regierung des Königs 
die bürgerliche nennen; um seiner Verfassung willen darf Preußen selbst 
den Krieg mit Oesterreich nicht scheuen, der wird ihm die Herrschaft über 
Deutschland sichern! 
Mit lauter Schadenfreude begrüßten die Feinde der Verfassung die 
ungeschickte Lobschrift. Der tiefe, bis zum heutigen Tage noch unversöhnte 
Groll des brandenburgischen Adels wider den Staatskanzler fand jetzt 
neue Nahrung. Nun war doch klar erwiesen, daß Hardenberg sich selber 
als einen Jacobiner verherrlichen ließ, daß er das demokratische Reprä- 
sentativsystem, nicht eine ständische Verfassung erstrebte. Der Staats- 
kanzler fühlte, wie sehr ihn sein Bewunderer bloßgestellt. Er erklärte 
sofort in den Zeitungen mit Namensunterschrift, daß er keinen Antheil 
an der Schrift habe, ihren Verfasser nicht kenne, und ließ durch seinen 
getreuen Scharnweber eine Erwiderungsschrift ausarbeiten, die aber so 
unglücklich ausfiel, daß man sie in den Akten vergraben mußte.“) Seine 
Versicherungen fanden nirgends Glauben; konnte er sich doch in seiner 
Herzensgüte nicht einmal entschließen, den gewohnten brieflichen Verkehr 
mit seinem Lobredner abzubrechen. 
Gegen Benzenberg schrieb E. v. Bülow-Cummerow seinen „Punkt 
aufs i“ — ein in Pommern angesiedelter Mecklenburger von scharfem 
  
*) Benzenberg an Graf Solms-Laubach, 10. Aug. 1820. 
**) Hardenberg's Tagebuch, 1. Nov. 1820. Das Manuscript Scharnweber's be- 
findet sich noch im G. St. Archiv. 
8*
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.