Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

130 III. 2. Die letzten Reformen Hardenberg's. 
wie sich diese alten Territorialstände mit der neuen Provinzialeintheilung 
vertragen sollte, erregte ihm wenig Bedenken. Im Uebrigen wollte er den 
Unterthanen durchaus kein vorlautes Dreinreden in die Verfassungsfrage 
gestatten, wie er auch in seinen späteren Jahren der Krone gern die Stelle 
der Vorsehung vorbehielt; das Volk hatte schweigend abzuwarten, was der 
König über die Landstände verfügen würde. Darum wies er jene aller— 
dings ungestüme Schrift von Görres, der doch auch gut altständisch gesinnt 
war, so schroff zurück. Die Einberufung der Reichsstände wünschte der 
Kronprinz damals noch aufrichtig; nur sollten sie sich, gemäß der Ver— 
ordnung von 1815, „organisch“ aus den Provinzialständen herausbilden. 
Als grundsätzlicher Gegner des Kanzlers war der Thronfolger bisher noch 
niemals aufgetreten; denn der Streit über die Steuerreform bewegte sich 
doch nur um die thatsächliche Frage, ob wirklich ein Bedürfniß für die 
neuen Abgaben vorhanden sei. 
Da ward der Kronprinz mit einem male durch die Entwürfe der 
Communalordnungs-Commission aus seiner zuwartenden Haltung hinaus- 
gedrängt. Wie hätten diese Entwürfe ihm nicht ganz unannehmbar erscheinen 
sollen, die so scharf mit dem bureaukratischen Besen über die Sonderart 
der Landschaften dahinfegten, die den Landadel in den Grundfesten seiner 
alten Machtstellung bedrohten, ohne doch eine kräftige Selbstverwaltung 
für die Kreise zu begründen? Er konnte fortan dem Kanzler nicht mehr 
folgen, und es lag in der Natur der Dinge, daß er nunmehr mit der alt- 
ständischen Partei, die ohnehin seinen Neigungen nahe stand, sich zu ver- 
ständigen suchte. Sein Lehrer Ancillon, Wittgenstein, Schuckmann sprachen 
im gleichen Sinne, und hatte der Communal-Ausschuß durch den Versuch 
übermäßiger Centralisation schwer gefehlt, so tauchte jetzt im gegnerischen 
Lager der ebenso bedenkliche Vorschlag auf: ob man nicht lieber die Ge- 
meinde= und Kreisordnung der einzelnen Provinzen ganz in die Hände der 
künftigen Provinzialstände legen solle? Dergestalt schaarte sich aus alten 
und neuen Gegnern eine mächtige Opposition wider den Kanzler zusammen. 
Der Wind war ihr günstig, und leicht konnte sie bewirken, daß diese letzten, 
so erfolgreich begonnenen Reformen des greisen Staatsmannes ein Stück- 
werk blieben. 
So bedenklich standen die preußischen Dinge, als Hardenberg sich 
genöthigt sah, seine Thätigkeit wieder den europäischen Fragen zuzuwenden. 
 
	        
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