Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

140 III. 3. Troppau und Laibach. 
begannen. Unter den jauchzenden Zurufen des Volks zog die heilige 
Schwadron der Empörer sodann in die Hauptstadt ein, und sofort ward 
die spanische Cortesverfassung ausgerufen, obgleich sich ein vollständiger 
Abdruck des heiligen Codex im ganzen Lande nicht auftreiben ließ; denn 
überall verlangt die Masse, auch wenn sie meutert, nach einer unzweifel— 
haften Autorität, nach einem Panier, um das sie sich schaaren kann, 
und jenes unbekannte Grundgesetz galt nun einmal für das Evangelium 
der Freiheit. Der König unterwarf sich dem triumphirenden Aufruhr 
ebenso würdelos wie sein Neffe in Spanien. Als er die Verfassung 
beschwor, bat er den Himmel seinen Blitz auf ihn herabzuschleudern, falls 
er je den Eid bräche; insgeheim aber lauerte er wie der Spanier auf 
den gesegneten Tag der Rache. 
Die Aufständischen siegten ohne jeden Widerstand und schonten sorgsam 
die Sicherheit von Hab und Leben. Die deutschen Zeitungen konnten 
nicht genug der Wunder berichten von der Weisheit dieses so plötzlich zu 
seinen Jahren gekommenen Volkes; zum dritten male in wenigen Wochen 
triumphirte die Revolution ohne Blutvergießen. Liberale Kaufleute in 
London und Paris erboten sich zu Anleihen, napoleonische Generale ent- 
warfen Kriegspläne für die Sache der Freiheit. Die Revolution hatte 
ihren Sitz im Heere und den gebildeten Klassen, nicht mehr, wie einst zur 
Zeit der parthenopäischen Republik, bloß unter einer Handvoll unzufrie- 
dener Edelleute und Gelehrten; selbst der rohe Hafenpöbel der Haupt- 
stadt, den die Bourbonen so oft schon gegen die höheren Stände gehetzt 
hatten, zeigte sich diesmal der Sache der Signoren nicht feindselig. Trotz-= 
dem war diese unwiderstehliche Bewegung nur der festliche Rausch eines 
Kindervolks, fast noch schwächlicher als ihr spanisches Vorbild. Die Massen 
frohlockten, wie sonst bei dem Wunder des heiligen Januarius, als die 
neugewählten Volksvertreter durch die fahnengeschmückten Straßen zur 
Kirche zogen und plötzlich Schwärme befreiter Vögel über den Gaffenden 
aufstiegen; das Parlament hallte wider von den Kraftworten revolu- 
tionärer Redekunst, aber seine Beschlüsse bekundeten weder Einsicht noch Ent- 
schlossenheit. Das lärmende neue Nationalheer der Samniter, Marsen 
und Hirpiner krankte an allen Gebrechen einer improvisirten Volks- 
bewaffnung; und von Haus ward die Revolution geschwächt durch den 
grimmigen Haß der Insel wider das Festland. Auch die Sicilianer waren 
aufgestanden, auch sie hatten — so unwiderstehlich wirkte die Macht des 
radicalen Götzenbildes in dieser Zeit des Taumels — nicht ihr eigenes 
Werk, die wohldurchdachte sicilianische Verfassung vom Jahre 1812 wieder- 
hergestellt, sondern den unbekannten heiligen Codex der Spanier an- 
genommen; doch da sie zugleich ein selbständiges Parlament für ihre Insel 
forderten und die Mordbanden der Galeeren in Palermo den Plünderungs- 
krieg begannen, so entspann sich zwischen den beiden Hälften des Staates ein 
verworrener, blutiger Kampf, dessen Sinn und Zweck fast im Dunkel lag.
	        
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