Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

160 III. 3. Troppau und Laibach. 
tage gesammelt, konnten ihm wahrlich nicht die Kraft des Entschlusses 
stählen. Welch ein widerwärtiges Bild politischer Thorheit war ihm dort 
entgegengetreten! Eine ganze Reihe verständiger Gesetze unter tollen Reden 
sammt und sonders verworfen; auf den Gallerien lärmende und drohende 
Studenten; dazu im Lande überall das unfaßbare und doch Jedermann 
fühlbare Treiben der nationalen Freimaurer, und in dem neuen natio- 
nalen Heere nur eine große Verschwörung. Unaushaltsam trieb das ver- 
blendete Volk einer neuen Revolution entgegen. Trotz alledem wollte 
Alexander die Hoffnung nicht aufgeben, daß die Freiheit unter den Fittichen 
des weißen Adlers eine Heimstätte finden werde. Er schloß den unfrucht- 
baren Reichstag mit einigen schmerzlichen, aber liebevollen Vorwürfen. 
„Ihr habt“, so rief er den Landboten zu, „das Gute für das Böse erhalten, 
Polen ist in die Reihe der Staaten wieder eingetreten. Ich werde bei 
meinen Absichten beharren. Fraget Euer Gewissen und Ihr werdet wissen, 
ob Ihr dem Lande alle die Dienste geleistet habt, die es von Eurer Weis- 
heit erwartet.“ Diese Thronrede verschickte er sodann an die Gesandt- 
schaften, nebst einem eigenhändigen Rundschreiben, worin er nochmals 
die constitutionellen Institutionen pries, welche der fast einstimmige Wunsch 
der Völker fordere. Immerhin ließen die widerwärtigen Vorgänge einen 
Stachel in der Seele des Czaren zurück. Obgleich Alexander dem Wiener 
Hofe noch keineswegs völlig traute, so empfing er doch den Gesandten 
Lebzeltern, der mit vertraulichen Aufträgen des Kaisers Franz nach 
Warschau kam, sehr herzlich und ließ durch Kapodistrias der Hofburg 
aussprechen, wie viel Segen er sich von der Eintracht der großen Mächte 
verspreche: „zweimal haben die Völker und die Fürsten den Bund der 
mächtigsten Monarchen gesegnet; sie werden es auch diesmal thun.“ Zugleich 
bat er die englische Regierung, mit vollem Vertrauen an der Reunion 
theilzunehmen. An eine Intervention in Spanien wagte er für jetzt 
nicht mehr zu denken; er sah ein, daß die Thätigkeit des Congresses sich 
zunächst auf Italien beschränken mußte. — 
So war die Lage am 20. Oktober, als die Vertreter der Mächte nach 
und nach in der stillen Hauptstadt des österreichischen Schlesiens eintrafen. 
Hier im abgelegenen Wiesenthale der Oppa konnte man ganz den Ge- 
schäften leben, hier war man sicher vor allen den Neugierigen und Bitt- 
stellern, die sich einst in Aachen an die Monarchen herangedrängt hatten. 
Mit dem Regenwetter des Herbstes stellte sich freilich auch die kleinstädtische 
Langeweile ein. Außer der Freundin Gentz's, der geistreichen Gräfin 
Urban ließ sich kaum jemals eine Dame in den Salons des trostlos 
  
26. Sept. 
)Kapodistrias an Metternich, Warschau Stt-: 
26. Sept. 
8. Okt. 
an Fürst Lieven in London 
1820.
	        
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