188 III. 3. Troppau und Laibach.
1820 erhoben sich die Sulioten in den Gebirgen Albaniens. Die Nachricht
ward in Europa kaum bemerkt; man sah in dem Kampfe nur einen
jener zahllosen localen Aufstände, welche seit Langem den einzigen Inhalt
der inneren Geschichte des Türkenreichs bildeten, und Niemand ahnte, daß
dies wilde Bergvolk in die Pläne der hellenischen Verschwörer eingeweiht
war. Aber welche Bestürzung auf dem Congreß, als man erfuhr, daß
Opsilanti am 7. März in Jassy die Freiheit der Hellenen ausgerufen und
den Aufständischen die Hilfe des Czaren verheißen hatte; wie sicher mußte
er auf diesen Beistand zählen, wenn er dort an der russischen Grenze,
unter den gleichgiltigen Rumäniern eine griechische Schilderhebung wagte!
Wenige Wochen darauf griffen auch die Stämme des Peloponnes zu den
Waffen, dann die Inselgriechen des ägeischen Meeres, und nun raste er
dahin, der gräuelvolle Agon der Hellenen, der wildeste Rassenkampf des
Jahrhunderts: unmenschliche Wuth, Verrath und Treubruch auf beiden
Seiten.
Metternich's Urtheil über diese fünfte Revolution war im ersten Augen-
blicke gefunden; denn unter allen seinen politischen Axiomen stand ihm
keines so fest wie die Unantastbarkeit der Türkei. Keinen Augenblick
beschäftigten ihn die Fragen: ob die Herrschaft des Halbmonds im christ-
lichen Abendlande auf die Dauer bestehen könne? ob Oesterreich nicht
versuchen solle, in die Herrscherbahnen des Prinzen Eugen wieder ein-
zulenken und bei dem drohenden Zerfalle des türkischen Reichs sich selber
eine starke Stellung auf der Balkanhalbinsel, vielleicht sogar die Herrschaft
über die Mündungen seines Stromes zu gewinnen? Der Sultan war ihm
ein legitimer Fürst wie jeder andere auch; mit heiligem Eifer bewies Gentz im
Oesterreichischen Beobachter, daß die Herrschaft der Pforte auf dem überall
in der Welt anerkannten Rechtstitel der Eroberung ruhe. Und dieser
legitime Staat zeichnete sich aus durch eine Verfassung, welche den politi-
schen Idealen des österreichischen Staatsmannes vollkommen entsprach: hier
bestand noch unberührt von den zersetzenden Lehren der Revolution die viel-
gerühmte force des subdivisions, ein lockeres Nebeneinander zusammen-
geraubter Länder, die unter sich nichts gemein hatten als den schweigenden
Gehorsam gegen den Großherrn. Befangen in dem dürren Pragmatismus
der Geschichtsphilosophie des alten Jahrhunderts, ohne Sinn für die
elementarische Kraft des nationalen Instinkts, die in solchen Krisen des
Völkerlebens allein entscheidet, suchte Metternich den Grund dieser Ent-
ladung uralten Rassenhasses allein in den schlechten Künsten einer Rotte
ehrgeiziger Bösewichter und legte auch die orientalische Frage unter die
Schablone seiner Stabilitätsdoktrin. Auch die hellenische Bewegung konnte
nur durch die im Dunkeln schleichende Partei bewirkt sein, und von vorn-
herein nahm er als erwiesen an, daß die Hetärie und die Carbonari der
nämlichen Sekte angehörten. Und diese unheimlichen griechischen Dema-
gogen erschienen ihm zugleich als Werkzeuge der gefürchteten russischen