196 III. 3. Troppau und Laibach.
lands die Spitze abzubrechen. Darum brachte auch die philhellenische
Zeitdichtung, die bald ins Kraut schoß, neben vielen tauben Blüthen doch
einige reife Früchte hervor: die schwungvollen Oden des Schwaben Waib-
linger und vor allen die feurigen Griechenlieder des Dessauers Wilhelm
Müller. Dem liebenswürdigen jungen Dichter war schon manches tief
empfundene Liebeslied, manch frischer Sang von Wein= und Wanderlust
gelungen; nun ließ er am Abend seines kurzen glücklichen Künstlerlebens
die schöne Jünglingsbegeisterung des deutschen Befreiungskrieges, den er
einst selber als preußischer Freiwilliger mitgeschlagen hatte, noch einmal
in kräftigen melodischen Klängen hinaustönen, jenen weitherzigen, gläubigen
Enthusiasmus, der mit der Freiheit des Vaterlandes zugleich die Freiheit
aller Völker zu erringen hoffte. Es war deutsche Empfindung, die sich
hier in fremdländischer Hülle barg; Müller's Lied vom kleinen Hydrioten
klang wie der Widerhall von Arndt's „Knaben Robert“. Vernehmlicher
als in den Zeitungen durfte sich der Haß der liberalen Welt wider die
Wiener Staatskunst hier im Liede äußern. „Auch des Türkenkaisers
Polster nennt Europa einen Thron!“ — rief der Dichter zornig; dem
Oesterreichischen Beobachter erwiderte er: „Beobacht aus dem Staube die
Welt dein Leben lang“", und für den gährenden Thatendrang des jungen
Geschlechts fand er Töne, die späterhin in Becker's Rheinlied und in der
Wacht am Rhein unverkennbar nachklangen:
Wer für die Freiheit kämpft und fällt, deß Ruhm wird blühend stehn,
So lange frei die Winde noch durch freie Lüfte wehn,
So lange frei der Bäume Laub noch rauscht im grünen Wald,
So lang des Stromes Woge noch frei nach dem Meere wallt,
So lang des Adlers Fittich frei noch durch die Wolken fleucht,
So lang ein freier Odem noch aus freiem Herzen steigt.
Trotz der mitwirkenden kirchlichen Begeisterung blieb der Philhellenis-
mus wesentlich oppositionell und fand daher unter den liberalen Süd-
deutschen mehr Anklang als in dem ruhigen Norden. Auch in der Schweiz
zeigten sich die liberalen Kantone am eifrigsten. Den protestantischen Appen-
zellern rief der Eidgenosse Frei ins Gedächtniß: ihre freien Väter hätten
einst einen eigenen Bettag gehalten, daß Gott die Sache Friedrich's und
seiner Preußen schützen möge; wie dürften die Söhne lau bleiben gegen
den neuen Freiheitskampf im Osten? Von Genf aus kam der große Bank-
herr Eynard den Griechen mit reichen Geldmitteln zu Hilfe und verbreitete
zugleich die philhellenischen Vereine über Frankreich. Auch dort im Westen
trug die Bewegung einen entschieden liberalen Charakter, obgleich einzelne
Ultras sich ihr anschlossen, und sogar Bonald, seit de Maistre's Tode der
namhafteste Schriftsteller der Clericalen, im Journal des Debats erklärte,
die heiligste Legitimität sei die der Vernunft und der Wahrheit. Casimir
Delavigne, der soeben in seinen Messeniennes das Unglück Frankreichs
beklagt hatte, schilderte jetzt in neuen messenischen Oden, wie die Freiheit,