Niebuhr in Rom. 203
Verhandlungen mit der Curie führen entweder sehr leicht oder niemals
zum Ziele; und warnte vor dem aussichtslosen Versuche, durch Gründe
oder durch Drohungen ein päpstliches non possumus erschüttern zu wollen.
Trotz dieser scharfen Einsicht täuschte er sich doch, wie die meisten der
Zeitgenossen, über die Lebenskraft und die letzten Absichten des wieder—
hergestellten Papstthums. Wenn er diesen ehrwürdigen, sanften Hohen—
priester betrachtete und das ziemlich bescheidene Maß der geistigen Kräfte im
Vatican, die zweifelhafte Gelehrsamkeit des großen philologischen Kirchen—
lichts Cardinal Mai und die unzweifelhafte wissenschaftliche Unschuld der
meisten anderen Monsignoren, dann meinte er eine versinkende Macht vor
sich zu haben, die sich in zunehmender Harmlosigkeit bis zu ihrem nahen
Untergange noch eine Weile hinschleppen werde, und wies den Verdacht
weit von sich, als ob dies schwache Papstthum sich jemals erdreisten könnte,
eine vom Könige verworfene Bischofswahl zu bestätigen. Eben in den
Tagen, da der papa nero, der Jesuitengeneral, wieder dem papa bianco
an die Seite getreten war, konnte Niebuhr schreiben: der Rost hat die
geistlichen Waffen Roms verzehrt, und die Hand, welche sie einst schwang,
zittert in Altersschwäche. Auf Augenblicke beunruhigten ihn wohl die
ersten Lebenszeichen des neu erwachten „erzpfäffischen, geradehin jesuitischen
Katholicismus“. Gleichwohl hielt er ein günstiges Concordat für möglich,
wenn der Staat sich nur in Formfragen nachgiebig zeige und der Curie
ohne Mißtrauen begegne; dann könne man selbst zu einer Verständigung
über die gemischten Ehen gelangen.
Da die Ansichten im Schooße der Regierung selbst noch so wirr
durcheinander gährten, so schien es dem Staatskanzler rathsam, die Ver—
einbarung mit dem römischen Stuhle nicht zu übereilen. Auch die Arbeits—
last der ersten Uebergangsjahre und die Einrichtung des neuen Cultus—
ministeriums verzögerten den Beginn der Verhandlungen. Niebuhr freilich
befand sich in dieser langen Zwischenzeit sehr unbehaglich, auch die Bischöfe
von Paderborn und Corvey beschwerten sich lebhaft über die endlose
Ungewißheit. Der Krone aber gereichte dies Zaudern zum Vortheil, denn
sie gewann Zeit, sich in der neuen Lage zurechtzufinden und aus den
Erfahrungen der anderen Staaten, die in Rom unterhandelten, die Ge—
sinnung des heiligen Stuhles kennen zu lernen. Und diese Erfahrungen
waren in der That sehr lehrreich. Baiern verstand sich zu jenem unglück—
lichen Concordate, dessen Ausführung noch jahrelang streitig blieb; bald
darauf schloß Neapel einen Vertrag mit Rom, der die Rechte der Staats—
gewalt sogar noch enger begrenzte, und das neue durch Graf Blacas
vereinbarte französische Concordat erregte in den Kammern so stürmischen
Unwillen, daß die Krone selbst es nicht aufrecht zu halten wagte. Noch
deutlicher redete eine Denkschrift, welche Cardinal Consalvi am 2. Sept.
1817 dem hannöverschen Gesandten übergab. Hier ward dem Staate
jedes Recht der Oberaufsicht über die Kirche als „eine reine politische