Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

Verwerfung der Communal-Ordnung. 229 
werden. Das bedeutete also: Vertagung des Reichsverfassungsplanes auf 
unbestimmte Zeit, vielleicht auf immer, und Mitwirkung der Stände bei 
der Reform des Communalwesens, die doch nur durch das Niederhalten 
der ständischen Selbstsucht gelingen konnte. Die Gegner der Verfassung 
hatten ihr letztes Wort gesprochen: der Krieg gegen den Staatskanzler 
war erklärt. Diesen Bericht fand der alte Herr bei seiner Heimkehr vor 
und zugleich erlebte er die Kränkung, daß ihn der König jetzt erst nach- 
träglich von dem Dasein und den Arbeiten der hinter Hardenberg's Rücken 
einberufenen Commission benachrichtigte.) 
Der Staatskanzler nahm alsbald den Handschuh auf. In der länd- 
lichen Stille seines Schlosses Neu-Hardenberg entwarf er einen langen 
Bericht, der am 24. Mai dem Monarchen eingereicht wurde. Noch ein- 
mal wiederholte er hier die Hauptgedanken seiner Troppauer Denkschrift 
und mahnte drängend: kein Zeitpunkt könne günstiger sein „um eine Ver- 
fassung aus freiem Willen zu geben“. In Italien liege die Revolution 
am Boden, aber in anderen Ländern währe die Gährung fort, und ob- 
gleich Preußen dem Anschein nach von der Ansteckung noch frei geblieben, 
so scheine es doch sehr räthlich, jetzt durch Bewilligung billiger, frei- 
williger Bedingungen dem Uebel zuvorzukommen. Auf das Bestimmteste 
sprach er aus, daß die Verordnung vom 22. Mai 1815 „als eine öffent- 
lich ausgesprochene königliche Zusage aufrecht erhalten werden müsse“; 
daraus folge nothwendig die Verkündigung der verheißenen Verfassungs- 
urkunde und die Einberufung der allgemeinen Stände. „Dadurch allein, 
daß diese Urkunde das Ganze der königlichen Gnade ausspreche, wird der 
in dem Berichte der Commission angegebene Zweck: die Beruhigung der 
Gemüther, die Zufriedenheit der Besten, die Zurechtweisung der Schlechten 
— erreicht werden; nicht wenn man einen wesentlichen Theil der Ver- 
fassung in der Ungewißheit lassen wollte.“" Dann erinnerte er noch an 
die vielleicht nothwendige Aufnahme neuer Schulden, die ohne die Zu- 
stimmung der Reichsstände nicht mehr möglich sei, und erwähnte rühmend, 
wie sehr sich der Credit in Baiern seit dem Bestande der Verfassung ge- 
hoben habe. In allem Uebrigen zeigte er sich sehr nachgiebig. Er er- 
kannte die Mängel der Communalgesetze an und schlug sogar vor, einen 
neuen Verfassungsausschuß zu bilden, der unter dem Vorsitze des Kron- 
prinzen die Communalgesetze endgiltig festsetzen und sodann unter Mit- 
wirkung von Notabeln aus den altständischen Territorien die Provinzial- 
und die Reichsverfassung zum Abschluß bringen solle. „Dies Comité träte 
an die Stelle des bisher unter meinem Vorsitz bestehenden. Dieses gebe 
ich gern und willig auf, da mir nur daran gelegen ist, daß geschehe was 
das Beste des Staates erheischt, gleichviel von wem.“"“) 
  
*) Commissionsbericht, 19. März; Cabinetsordre an Hardenberg, 3. Mai 1821. 
*°) Hardenberg's Bericht an den König, 2. Mai 1821 (beendigt 24. Mai).
	        
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