Fürst Hatzfeldt. 261
guten alten Zeit, da der Edelmann noch Alles war, und empfahl den Fürsten
sich mit Rathgebern aus dem hohen Adel zu umgeben: „ich will zurück
zu jenen glücklichen Tagen meiner Jugend, wo die Ordnung, die Manns-
zucht, die Religion und die Sittlichkeit noch in allen Klassen der Gesell-
schaft anerkannte Tugenden waren.“ Als Gesandter in Brüssel schloß er
gute Freundschaft mit dem verhaßten Minister van Maanen und mahntte,
völlig eigenmächtig, den niederländischen Hof, daß man die Ehrfurcht vor
„der schlechten Verfassung“ nur ja nicht zu weit treiben möge.
Und dieser greise Heißsporn der reaktionären Partei bekleidete fortan
fünf Jahre lang den damals wichtigsten Posten der preußischen Diplomatie.
In seinem Oesterreich fand er Alles bewunderungswerth; hier kann man
ruhig schlafen, schrieb er seelenvergnügt, inmitten eines guten Volkes,
geschützt durch ein treues Heer und eine ausgezeichnete Polizei. Nur gegen
die überlegene Cultur der Lombarden und Venetianer erging er sich, wie
Metternich, gern in Ausdrücken hoffärtiger Verachtung. Wie jubelte er
auf, als Kaiser Franz die fußfälligen Bitten der Gräfin Teresa Confalonieri
für ihren gefangenen Gatten hartherzig abwies; die erste aus jener langen
Reihe hochsinniger Frauen, welche das einige Italien heute als die Heldinnen
der nationalen Freiheit ehrt, war in Hatzfeldt's Augen nur das Weib eines
Verbrechers. Auch das k. k. Beamtenthum schien ihm zum Theil schon
gangréné; denn auch dies schöne Bild von dem liberalen Krebsschaden
sowie die vier anderen Metaphern seines Meisters Metternich eignete sich
der Adept sogleich gelehrig an. Seine geschwätzigen, in brutalen, kaum
lesbaren Schriftzügen hingeworfenen Berichte stechen auffällig ab von der
maßvollen, streng sachlichen Darstellung, welche sonst in den Arbeiten der
preußischen Diplomatie üblich war; sie fließen über von Schmähungen wider
die liberalen „Taugenichtse", und auf jeder dritten Seite kehrt die Drohung
wieder: il faut terrasser pour tonjours le monstre révolutionnaire.)
Als er dann in der Sonne der kaiserlichen Gunst warm wurde, da verlor
er allmählich jedes Gefühl preußischen Stolzes; er pflegte seine Dienstpapiere
mit unziemlicher Vertraulichkeit dem österreichischen Staatskanzler zu zeigen,
er schlug gegen sein eigenes Cabinet oft einen Ton an, als wäre er ein
österreichischer Agent am preußischen Hofe, und fühlte sich nur noch als
Sicherheitswächter für den gesammten Welttheil. Denn in allen groben
menschlichen Verirrungen liegt ein weltbürgerlicher Zug: wie die Welt des
Lasters und des Verbrechens leider zu allen Zeiten eine internationale
Macht war, so verliert auch der politische Fanatismus, sobald er eine
letzte Grenze überschreitet, den Boden des Vaterlandes unter seinen Füßen.
Zum Glück reichte der Einfluß des Fürsten in Berlin nicht sehr weit.
Bernstorff ließ sich nur selten einmal, in schwachen Augenblicken, durch
die österreichischen Gespenstergeschichten einschüchtern, und je weiter er sich
*) Hatzfeldt's Berichte, 30. Dec. 1822, 25. Jan., 6. Febr. 1826 u. f. f.