290 III. 5. Die Großmächte und die Trias.
Preußen und Oesterreich verliehen, die Zinsen verdoppelt und für die
Erhaltung der bestehenden Bundesfestungen verwendet würden.“) Oester—
reichs Finanzen konnten aber ohne das Wohlwollen des großen Bankhauses
nicht bestehen, und da auch die kleinen Staaten den preußischen Gesandten
nicht herzhaft zu unterstützen wagten, so blieb es dabei, daß der Deutsche
Bund der Firma Rothschild Jahr für Jahr etwa eine halbe Million
Franken schenkte.
Im Verlaufe dieser Händel machte selbst der friedfertige Goltz die Er—
fahrung, welche seitdem keinem der preußischen Bundesgesandten erspart
blieb, daß jeder pflichtgetreue Preuße, sobald er die k. k. Bundespolitik näher
kennen lernte, zum Gegner Oesterreichs werden mußte. Er entfremdete
sich gänzlich seinem österreichischen Amtsgenossen; und wie seine Unter-
gebenen gesinnt waren, das lehrte eine geheime Denkschrift des Legations-
raths Küpfer über Preußens deutsche Politik, welche Goltz im Jahre 1822
nach Berlin sendete. Sie rieth dem Berliner Hofe, vorläufig das öster-
reichische Bündniß noch aufrechtzuhalten, doch unter der Hand die frideri-
cianische Politik wieder aufzunehmen und durch entschlossene Vertheidigung
des „protestantischen Princips“ die kleinen Höfe im Süden wie im Norden
an sich zu ziehen, damit dereinst am Tage der unausbleiblichen Trennung
das ganze oder doch fast das ganze nichtösterreichische Deutschland sich der
Führung Preußens unterordne. Die Denkschrift war nur die Privatarbeit
eines ehrgeizigen, wenig zuverlässigen jungen Beamten, der bald nachher
den Staatsdienst verlassen mußte, merkwürdig allein als ein Zeichen der
Gesinnungen der preußischen Bundesdiplomatie. Sie erlangte jedoch
späterhin eine ganz unverdiente Berühmtheit, da sie durch einen Beamten
der Gesandtschaft, den gefürchteten Demagogen Gustav Kombst, gestohlen
und in der liberalen Presse allgemein für ein unheimliches Werk Eichhorn's
gehalten wurde — ein thörichter Verdacht, den die bureaukratische Steifheit
jener Tage leider zu widerlegen verschmähte.“)
In diesen Krieg Aller gegen Alle griffen auch noch die Diplomaten
des Auslands verwirrend ein. Da war der russische Gesandte Anstett,
ein unverbesserlicher Ränkeschmied, der, anfangs wohl mit Kapodistrias
Vorwissen, nach dessen Sturz aber ganz auf eigene Faust und gegen
Nesselrode's Absichten sein unterirdisches Handwerk trieb. Ueberall zischelte
er umher um die kleinen Gesandten gegen die beiden Großmächte aufzu-
stiften; allwöchentlich mußte Blittersdorff berichten, was „man" oder was
„der dicke Freund“, „der Freund der nicht mein College ist“ wieder einmal
*) Goltz, Rechtfertigung meines Verhaltens in Frankfurt, 9. Sept. 1824.
*“) Küpfer, Unmaßgebliche Ideen über das politische System Preußens in Bezug
auf Deutschland — im Wesentlichen richtig abgedruckt in (Kombst) Authentische Akten-
stücke aus den Archiven des D. Bundes (Straßburg 1835) S. 1, in Welcker's Wichtigen
Urkunden S. 356 u. s. w. Die Denkschrist wurde nachher von Küpfer breiter aus-
gearbeitet und am 18. Dec. 1824 nochmals an Bernstorff übersendet.