Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

294 III. 5. Die Großmächte und die Trias. 
zu verstärken? würden dort „diese fremden Truppen immer mit der gleichen 
Aufmerksamkeit, Schonung und Liebe behandelt werden“, wie die Soldaten 
des neunten Corps selber? So ging es weiter, ein endloser, heilloser 
Streit, der die Thatkraft der Militärcommission so vollständig in Anspruch 
nahm, daß in den Jahren 1822—30 kein irgend nennenswerther Beschluß 
über die Organisation des Bundesheeres mehr zu Stande kam. Erst 
als durch die Pariser Julirevolution die Gefahr eines französischen Krieges 
näher gerückt ward, ermannte sich der Bundestag am 9. Dec. 1830 zu 
dem verständigen Beschlusse, die allerkleinsten Contingente, von Weimar 
abwärts, zu einer für den Festungsdienst bestimmten Reserve-Infanterie- 
division zu vereinigen; freilich blieb es sehr zweifelhaft, ob die Bücke- 
burger und die Reußen im Kriegsfalle rechtzeitig in die rheinischen Festungen 
gelangen würden. 
Von gemeinsamen Truppenübungen, von irgend einer festeren Ver- 
bindung zwischen den Contingenten der Armeecorps war in Friedenszeiten 
gar nicht die Rede; nur die Staaten des achten Armeecorps trafen einige, 
ganz ungenügende, Verabredungen über gleichmäßige Bewaffnung sowie 
über die Ernennung des commandirenden Generals — natürlich nicht 
ohne mannigfachen Streit, denn es währte lange, bis Württemberg und 
Baden sich herbeiließen „die schwächste Macht"“, Darmstadt als gleich- 
berechtigt anzuerkennen.) Ein Cartell für wechselseitige Auslieferung der 
Fahnenflüchtigen war verheißen; doch die Abstimmung dauerte fünf Jahre, 
von 1820—25; dann blieb wieder Alles liegen, bis endlich im Jahre 1831 
ein Beschluß zu Stande kam, der aber so mangelhaft ausfiel, daß die 
Zweifel und Beschwerden kein Ende nahmen. Ueber die Verpflegung des 
Bundesheeres konnte man sich während eines vollen Menschenalters nicht 
einigen. Die deutschen Fürsten besaßen nunmehr eine Kriegsherrlichkeit, 
wie sie ihnen so unbeschränkt noch niemals zugestanden hatte, und unter- 
stützt durch ihre haushälterischen Landtage mißbrauchten sie dies Recht zu 
übermäßigen Beurlaubungen, welche manches Contingent fast bis zur 
Kriegstüchtigkeit eines Milizheeres herunterbrachten. Von den geworbenen 
Söldnern der Hansestädte bis zu Preußens allgemeiner Wehrpflicht war 
fast jedes erdenkliche System der Heeresorganisation im Deutschen Bunde 
vertreten. 
Nach den gewaltigen Wandlungen, welche das Kriegswesen in den 
napoleonischen Zeiten erfahren hatte, waren die kleinen Contingente des 
Bundesheeres fast ebenso unbrauchbar wie weiland die Reichsarmee des 
18. Jahrhunderts und auch in ihrer äußeren Erscheinung fast ebenso 
lächerlich. Der einfache militärische Grundsatz, der eine möglichst gleich- 
mäßige Bekleidung der Waffengenossen gebot, wurde geradezu auf den 
Kopf gestellt. Jeder kleine Kriegsherr suchte „die Nationalität“ seiner 
  
») Blittersdorff's Berichte, 29. Nov. 1821 ff.
	        
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