Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

Wangenheim und die Köthener Händel. 295 
Truppen zu wahren, indem er sie recht auffällig von den Truppen des 
Nachbarstaates unterschied, damit der Feind immer genau wissen konnte 
wen er vor sich habe; die Erfindung neuer Uniformen wurde bald zu 
einem Sport, der die zahlreichen Mußestunden deutscher Kleinfürsten ver— 
gnüglich ausfüllte. Nur wenige Souveräne folgten dem verständigen Bei— 
spiele des Großherzogs von Baden, der seine Truppen nach preußischem 
Muster kleidete. Die Hannoveraner trugen noch die rothen englischen 
Röcke, die Braunschweiger die dunkle Tracht der Schwarzen Schaar; die 
Darmstädter prangten in kleeblattförmigen Epauletten; eine württembergische 
Reiterabtheilung führte, wohl der russischen Verwandtschaft zu Ehren, 
Lanzen und Pelzmützen nach Kosakenart; die Bückeburgische Uniform war 
eine kühne Combination von bairischen Raupenhelmen und schwarzen 
Braunschweiger Röcken; im Königreich Sachsen verfiel man gar auf eine 
Farbenzusammenstellung, welche vermöge ihrer Scheußlichkeit gegen jede 
Nachahmung gesichert war: man gab dem beklagenswerthen Fußvolk grüne 
Fräcke und hellblaue Hosen und fügte nachher noch eine Art Zipfelmützen 
mit Schirmen hinzu. Es schien als wolle die particularistische Eitelkeit 
diese tapferen deutschen Krieger, die unter der Führung preußischer Generale 
die besten Soldaten der Welt werden konnten, absichtlich dem Gespött 
preisgeben; für die Frankfurter Gassenbuben war es immer ein Fest, wenn 
die Bundes-Militärcommission in ihren abenteuerlich buntscheckigen Uni- 
formen zur Parade erschien. Alles in Allem bewährte sich dies Werk klein- 
königlichen Dünkels und österreichischer Trägheit so jämmerlich, daß fortan 
jedesmal, wenn ein Kriegsfall drohte, auch sofort die Frage erwogen wurde, 
wie man die Bundeskriegsverfassung über den Haufen stoßen solle; denn 
immer sobald Noth an Mann kam zeigte sich mit überwältigender Klarheit, 
daß Oesterreich durch seinen italienischen Besitz, die Mittelstaaten durch 
ihre Ohnmacht gelähmt waren und nur Preußen die deutschen Grenzen 
zu vertheidigen vermochte. 
Noch feindseliger als in diesen Heeresangelegenheiten trat Wangen- 
heim dem preußischen Gesandten in dem elenden Köthener Handel entgegen. 
Er hatte kein Auge für den Unfug des Anhaltischen Schmuggels; ihm 
genügte, daß der Buchstabe — aber auch nur der Buchstabe — des 
Bundesrechts gegen Preußen sprach. Mit allen Mitteln der Executions= 
ordnung, nöthigenfalls mit den Waffen wollte er den Friedensbrecher heim- 
suchen, und so heilig erschien ihm dieser Kampf, daß er noch ein Menschen- 
alter später, als Niemand mehr daran dachte, alle seine alten Köthener 
Gutachten veröffentlichte um den Deutschen zu zeigen, welch ein edler 
Geist in ihrem alten Bundestage gewohnt habe. In politischen Macht- 
fragen ist aber Niemand unparteiisch, und auch dieser begeisterte Wahrer 
des Bundesrechts war es nicht; denn er hoffte selbst auf einen Sonder- 
zollverein der Kleinstaaten und sah in Preußens Handelspolitik den ge- 
fährlichen Gegner seiner eigenen Pläne. Das Ungeschick des Grafen
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.