Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

298 III. 5. Die Großmächte und die Trias. 
unbekümmert um die neuen Ideen der historischen Rechtsschule hielt er 
die hergebrachten Doktrinen des Naturrechts fest, sogar Rousseaufs Lehre 
vom ursprünglichen Vertrage, wie sie Kant der deutschen Rechtswissen- 
schaft überliefert hatte; auf diese veralteten allgemeinen Grundsätze ließ 
er jedoch eine streng sachliche, überaus stoffreiche Darstellung des positiven 
Rechtes folgen, welche nirgends über gemäßigte constitutionelle Ansichten 
hinausging und, in scharfem Gegensatze zu Rotteck's geschichtsfeindlichem 
Vernunftrecht, überall den Zusammenhang der Gegenwart mit dem alten 
Reichsrecht nachzuweisen suchte. Marschall's Anklage wirkte weiter. Metter- 
nich ließ das verdächtige Werk durch seinen Gentz prüfen und erklärte 
darauf, seit Jahren sei kein so revolutionäres Buch in Deutschland er- 
schienen.) Schmalz aber, der allezeit strebsame, hielt sich verpflichtet, der 
studirenden Jugend ein Gegengift zu reichen und schrieb selber ein Deutsches 
Staatsrecht, ein Buch, das, minder fanatisch als andere Schriften des 
Verfassers, doch wegen seiner Gedankenarmuth fast unbeachtet blieb. In 
Frankfurt wurde Klüber, obgleich er der preußischen Gesandtschaft als 
Rechtsrath beigegeben war, von allen Oesterreichern ängstlich gemieden. 
Daß Wangenheim sich am grünen Tische des Bundestags auf eine solche 
Autorität berief, erschien in der Hofburg als unglaubliche Frechheit, und 
Metternich schrieb wüthend: „diese erbärmliche Persönlichkeit hat durch diesen 
Bericht das Siegel unter ihre Verdammniß gesetzt.“““) Zu allem Unheil 
ließ Wangenheim's Attaché Robert Mohl eben jetzt seine Erstlingsschrift über 
die Rechtspflege des Bundes erscheinen, ein junger Gelehrter, der mit seinem 
grundehrlichen Freimuth, seiner wissenschaftlichen Unbefangenheit in dieser 
Frankfurter Gesellschaft wie ein Fremdling erschien; in seinem Buche unter- 
stand er sich sogar die Abstimmungen einiger Bundesgesandten scharf zu 
tadeln. Für Metternich und Hatzfeldt stand jetzt außer Zweifel, daß sich eine 
ganze Bande literarischer Mordbrenner um den Württemberger schaarte. 
Unterdessen hatte Wangenheim gegen das Schooßkind Metternich's, 
gegen die Mainzer Central-Untersuchungscommission einen kühnen, wohl- 
berechtigten Angriff unternommen. Mit Ausnahme der sieben Regierungen, 
welche an der schwarzen Commission selber theilnahmen, blieben die deutschen 
Höfe ohne Kenntniß von dem Treiben der Mainzer Demagogenverfolger, 
obgleich die Commission gesetzlich verpflichtet war dem Bundestage Bericht zu 
erstatten. Im Sept. 1820, nachdem dieser sonderbare Zustand fast ein Jahr 
gewährt hatte, verlangte Wangenheim schleunige Einforderung des Berichts; 
mehrmals wiederholte er dann sein Begehren, aber die Mainzer ver- 
harrten in tiefem Schweigen. Da riß ihm die Geduld, und am 14. März 
1822 beantragte er kurz und gut die Auflösung dieser Behörde, die bis- 
her noch keinen einzigen namhaften Mann verhaftet, also offenbar nichts 
  
*) Hatzfeldt's Bericht, 8., 16. Jan. 1823. 
*) Metternich an Berstett, 24. Juni 1823.
	        
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