Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

316 III. 5. Die Großmächte und die Trias. 
trieben das von der constitutionellen Heilslehre geforderte Mißtrauen über 
alles Maß hinaus, zumal bei der Berathung des neuen Conscriptions— 
gesetzes; aus Furcht vor Willkür bestritten sie den Militärbehörden sogar 
das Recht, dienstuntaugliche Soldaten nach freiem Ermessen zu entlassen. 
Und dazu die unhaltbare Doppelstellung der Staatsdienerschaft: Itzstein 
selbst und mehrere andere Führer der Opposition waren Beamte, sogar 
die Regierungscommissare ließen sich das Recht nicht nehmen gelegentlich 
gegen das Ministerium zu sprechen. Zündstoff in Fülle war hüben und 
drüben schon längst aufgehäuft, da kam es zum Bruche (Januar 1823), 
leider, wie im Jahre 1819, wieder wegen einer Frage, welche die Grund- 
lagen des Bundesrechts berührte. 
Es war das Verhängniß des Karlsruher Landtags, daß er immer 
mit dem Bunde unmittelbar zusammengerathen mußte. Die Regierung 
hatte ein Militärbudget vorgelegt, das sie endlich auf 1,6 Mill. Gulden 
ermäßigte; mit geringeren Mitteln, versicherten die Minister, könne Baden 
den Anforderungen der neuen Bundeskriegsverfassung nicht genügen. Jeder- 
mann wußte, daß Großherzog Ludwig die Heeresverwaltung persönlich leitete 
und wiederholt gedroht hatte, auf dieses Gebiet solle sich der Landtag nicht 
wagen. Gleichwohl wollte die Kammer noch die armselige Summe von 
50,000 Fl. streichen; der modische Haß gegen die stehenden Heere verlangte 
sein Opfer. Da erklärte der Großherzog: nach Art. 58 der Schlußakte 
dürften die Stände ihn nicht in der Erfüllung seiner Bundespflichten 
hindern, er werde daher die nöthigen Summen auch ohne Bewilligung 
ausgeben. Damit war das Budgetrecht der Kammer in Frage gestellt, und 
sobald eine constitutionelle Principienfrage aufgeworfen wurde, pflegte der 
junge deutsche Liberalismus regelmäßig die Besinnung zu verlieren. Wieder 
wie vor drei Jahren erklang der Schlachtruf des Particularismus: Landes- 
recht geht vor Bundesrecht. Die verständigen Warnungen Liebenstein's 
verhallten wirkungslos, als Itzstein die Abgeordneten in heftiger Rede an 
ihre „Ehrenpflicht“ mahnte. Mit einer Mehrheit von einer Stimme hielt 
die Kammer ihre Beschlüsse aufrecht, und sofort verließen die Vertreter 
der Regierung den Saal. Am folgenden Tage schon wurden die Kammern 
geschlossen. Ein zorniges Manifest verkündete dem Volke den Unwillen des 
Großherzogs über seine pflichtvergessenen Stände; von allen den Gesetzen 
welche der Landtag beschlossen, ward kein einziges verkündigt, und da ein 
Budget seit der Begründung dieser Verfassung noch niemals zu Stande 
gekommen war, so wirthschaftete die Regierung mit den unbewilligten 
Einnahmen vergnüglich weiter. Eine harte und rachsüchtige Reaktion 
brach herein, das badische Land sollte jene unglücklichen 50,000 Gulden 
noch theuer bezahlen. 
Auf der Wiener Conferenz wurde die Schließung des Karlsruher 
Landtags mit einstimmigem Beifall begrüßt. Kaiser Franz sagte zu 
Blittersdorff, die That des Großherzogs Ludwig sei ein heilsames Beispiel
	        
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