420 III. 6. Preußische Zustände nach Hardenberg's Tod.
zweifelhaften Freunden mußten noch für allerhand Versprechungen ihres
alten Gönners wohl oder übel entschädigt werden.) Doch nachdem dies
letzte Vermächtniß des leichtsinnigen Kanzlers berichtigt war, herrschte in
allen Zweigen des Staatsdienstes eine spartanische Einfachheit, fast so
streng wie zur Zeit Friedrich Wilhelm's I. Knapp waren die Gehalte,
kahl und ärmlich die Amtsräume; manche der neuen Staatsbauten —
so das Haus des Arnsberger Oberlandesgerichts — sahen einer Scheune
ähnlicher als einem Palaste; nur für die Dienstgebäude der Hauptstadt
konnte Schinkel zuweilen eine anspruchslose künstlerische Ausschmückung
erlangen. Es war der Stolz des preußischen Beamten, daß keine andere
Großmacht die wirthschaftlichen Kräfte ihres Volkes so haushälterisch
schonte; seine Standesehre gebot ihm, der Krone jede irgend vermeidbare
Ausgabe zu ersparen. Als Eichhorn durch die langwierige Kriegskosten-
Abrechnung mit Frankreich dem Staate Millionen gerettet hatte, wollte
er eine sehr bescheidene Gratification, die ihm der König zuwies, schlechter-
dings nicht annehmen; erst nach Jahren gab er nach, weil der Monarch
darauf bestand.) ·
So ging die neue Verwaltungsordnung aus langem Streite siegreich
hervor, und fortan blieb sie durch viele Jahre fast unangefochten, weil
sich ihre wohlthätige Wirksamkeit nicht mehr verkennen ließ. Wohl klagte
man über ihre schwerfälligen, verwickelten Formen: kam es doch zuweilen
vor, daß eine Verwaltungssache fünf Instanzen, von der Gemeinde zum
Landrath, zur Regierung, zum Oberpräsidenten, endlich zum Minister
durchlaufen mußte. Doch selbst dieser Mißstand ward ertragen, denn die
Häufung der Instanzen bot gegen Willkür und Parteilichkeit eine sichere
Gewähr. Der König aber hatte auch diesmal, wie so oft gegenüber den
Forderungen der Provinzialstände seiner monarchischen Pflicht getreu die
Continuität des Rechts gewahrt, die großen Errungenschaften der Stein-
Hardenbergischen Epoche gerettet. Niemand war froher darüber als Stäge-
mann, der Veteran aus Stein's Tagen, der jetzt als Lottum's nächster
Untergebener alle wichtigeren Cabinetsordres zu entwerfen hatte.
Nachdem die Entscheidung gefallen war, versuchte Schön noch ein-
mal dem Könige die Ernennung von acht Provinzialministern neben sechs
Fachministern zu empfehlen. Der Versuch blieb erfolglos. W. Hum-
boldt aber wurde dadurch veranlaßt, in einer meisterhaften Abhandlung
(vom 1. Februar 1825) die Einheit der Verwaltung ebenso schlagend zu
rechtfertigen, wie er vormals in seiner Denkschrift über die Provinzial-
stände die Einheit der Verfassung vertheidigt hatte. „Grade die höchste
Verantwortlichkeit — so erwiderte er dem Vorkämpfer des Provinzialsystems
— ist bei diesem System gelähmt. Die politische Einheit des Staates
*) Schöll an Albrecht, 30. Dec. 1823; Cabinctsordre an Lottum, 31. März 1824.
**) Bernstorff an Hardenberg, 13. Juli 1822; Eichhorn an den König, 11. Dec. 1826.