Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

420 III. 6. Preußische Zustände nach Hardenberg's Tod. 
zweifelhaften Freunden mußten noch für allerhand Versprechungen ihres 
alten Gönners wohl oder übel entschädigt werden.) Doch nachdem dies 
letzte Vermächtniß des leichtsinnigen Kanzlers berichtigt war, herrschte in 
allen Zweigen des Staatsdienstes eine spartanische Einfachheit, fast so 
streng wie zur Zeit Friedrich Wilhelm's I. Knapp waren die Gehalte, 
kahl und ärmlich die Amtsräume; manche der neuen Staatsbauten — 
so das Haus des Arnsberger Oberlandesgerichts — sahen einer Scheune 
ähnlicher als einem Palaste; nur für die Dienstgebäude der Hauptstadt 
konnte Schinkel zuweilen eine anspruchslose künstlerische Ausschmückung 
erlangen. Es war der Stolz des preußischen Beamten, daß keine andere 
Großmacht die wirthschaftlichen Kräfte ihres Volkes so haushälterisch 
schonte; seine Standesehre gebot ihm, der Krone jede irgend vermeidbare 
Ausgabe zu ersparen. Als Eichhorn durch die langwierige Kriegskosten- 
Abrechnung mit Frankreich dem Staate Millionen gerettet hatte, wollte 
er eine sehr bescheidene Gratification, die ihm der König zuwies, schlechter- 
dings nicht annehmen; erst nach Jahren gab er nach, weil der Monarch 
darauf bestand.) · 
So ging die neue Verwaltungsordnung aus langem Streite siegreich 
hervor, und fortan blieb sie durch viele Jahre fast unangefochten, weil 
sich ihre wohlthätige Wirksamkeit nicht mehr verkennen ließ. Wohl klagte 
man über ihre schwerfälligen, verwickelten Formen: kam es doch zuweilen 
vor, daß eine Verwaltungssache fünf Instanzen, von der Gemeinde zum 
Landrath, zur Regierung, zum Oberpräsidenten, endlich zum Minister 
durchlaufen mußte. Doch selbst dieser Mißstand ward ertragen, denn die 
Häufung der Instanzen bot gegen Willkür und Parteilichkeit eine sichere 
Gewähr. Der König aber hatte auch diesmal, wie so oft gegenüber den 
Forderungen der Provinzialstände seiner monarchischen Pflicht getreu die 
Continuität des Rechts gewahrt, die großen Errungenschaften der Stein- 
Hardenbergischen Epoche gerettet. Niemand war froher darüber als Stäge- 
mann, der Veteran aus Stein's Tagen, der jetzt als Lottum's nächster 
Untergebener alle wichtigeren Cabinetsordres zu entwerfen hatte. 
Nachdem die Entscheidung gefallen war, versuchte Schön noch ein- 
mal dem Könige die Ernennung von acht Provinzialministern neben sechs 
Fachministern zu empfehlen. Der Versuch blieb erfolglos. W. Hum- 
boldt aber wurde dadurch veranlaßt, in einer meisterhaften Abhandlung 
(vom 1. Februar 1825) die Einheit der Verwaltung ebenso schlagend zu 
rechtfertigen, wie er vormals in seiner Denkschrift über die Provinzial- 
stände die Einheit der Verfassung vertheidigt hatte. „Grade die höchste 
Verantwortlichkeit — so erwiderte er dem Vorkämpfer des Provinzialsystems 
— ist bei diesem System gelähmt. Die politische Einheit des Staates 
  
*) Schöll an Albrecht, 30. Dec. 1823; Cabinctsordre an Lottum, 31. März 1824. 
**) Bernstorff an Hardenberg, 13. Juli 1822; Eichhorn an den König, 11. Dec. 1826.
	        
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