Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

438 III. 6. Preußische Zustände nach Hardenberg's Tod. 
„Wenn ein Prediger erschossen ist, hat die Sache ein Ende.“ Es war eine 
Abschrift jener Bemerkungen, welche der König im Jahre 1811 an den 
Rand der Denkschrift Gneisenau's über den Volkskrieg geschrieben hatte.) 
Welche Mühe, bis der Untersuchungsrichter endlich seinen lächerlichen Irr- 
thum einsah. Kamptz unterstand sich noch fünfundzwanzig Jahre später, 
öffentlich dreistweg abzuleugnen, daß Arndt in der That wegen der eigenen 
Worte des Monarchen zur Rede gestellt worden war. 
Drei Jahre nach der ersten Haussuchung, anderthalb Jahre nach Be- 
ginn der förmlichen Untersuchung wurde das Verfahren plötzlich eingestellt. 
Eine gerichtliche Freisprechung konnte Arndt so wenig wie Welcker erlangen. 
Erst im Jahre 1827 erhielt er die Mittheilung, daß die Untersuchung 
nichts ergeben habe. Sein Amt und seinen Wohnsitz konnte er behalten, 
da Stein, Niebuhr und Eichhorn sich freimüthig für ihn verwendeten, aber 
seine Vorlesungen durfte er nicht wieder eröffnen. Und bei Alledem blieb 
der Tapfere unverbittert. Seine kindliche Frömmigkeit brachte es über 
sich, selbst die schmähliche Unbill dieser Jahre als ein Verhängniß des aus- 
gleichenden und gerechten Gottes hinzunehmen; wollte ihn einmal der 
Groll übermannen, dann rief er sich zu: 
Und hast doch oft den Himmel offen 
Und Gott die Finger recken seh'n! 
Von seinem Preußen wollte er nicht lassen, „weil es mein Vaterland und 
noch immer meine Hoffnung ist“. Und doch gestand er, daß er die lang- 
same Zerreibung und Zermürbung seiner besten Kräfte bis ins Mark 
hinein nur zu tief gefühlt habe. Die Publicistik war ihm verleidet und 
so gut wie verboten; zu wissenschaftlicher Arbeit fühlte er sich wenig auf- 
gelegt, da ihm der Stachel der Lehrthätigkeit fehlte; so verlebte er schöne 
Jahre „in einer Art von nebelndem und spielendem Traume unter Kindern, 
Bäumen und Blumen". Die deutsche Jugend aber verlor durch die Thor- 
heit der Demagogenjagd einen Lehrer, der wie kein anderer den herein- 
brechenden Verirrungen revolutionären Weltbürgerthums sich entgegen- 
stemmen konnte. 
Arndt's Schicksal erbitterte vornehmlich die Norddeutschen; am Rhein 
galt Görres für den Märtyrer der Freiheit. Der wiederholte aus seinem 
Exile noch mehrmals, immer vergeblich, seine alte Forderung, daß man 
ihn vor ein rheinisches Schwurgericht stellen solle, und rächte sich sodann 
durch die Flugschrift „In Sachen der Rheinprovinzen und in eigener An- 
gelegenheit“, ein leidenschaftliches Pamphlet, das dem Ansehen Preußens 
am Rhein schwere Wunden schlug. Mit demagogischer Meisterschaft setzte 
er hier alle Hebel des rheinischen Particularismus in Bewegung: den Haß 
der Katholiken wider den protestantischen Uebermuth und die Abneigung 
des Bürgerthums gegen das Heer; „in der freien Schweiz,“ sagte er mit 
  
*) S. o. I. 388 (5. Aufl.).
	        
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