Beuth und die Gewerbeschulen. 467
Kartoffelbrennereien, die seit 1820 aufkamen und nach einigen Jahren unglück—
licher Versuche endlich die alte Getreidebrennerei vollständig verdrängten.
In diesen ersten Entwicklungsjahren des deutschen Großgewerbes war
die Wirksamkeit der technischen Lehranstalten stärker als heutzutage, wo die
industriellen Bildungsmittel gleichsam auf der Straße liegen. Das neue
von Beuth unmittelbar geleitete Berliner Gewerbe-Institut wurde eine
Pflanzschule von tüchtigen Baumeistern, Ingenieuren, Fabrikanten. Dort
lehrte der Schwabe Mauch, der geschmackvolle Zeichner, der auch an dem
Prachtwerke Beuth's und Schinkel's, den „Vorbildern für Fabrikanten
und Handwerker“, fleißig mithalf. In demselben Jahre, da dies Institut
eröffnet wurde (1821), stiftete Beuth den Verein zur Beförderung des
Gewerbfleißes, der bald in Breslau und anderen Industrieplätzen Nach—
ahmung fand. Mit allen Großindustriellen des Landes stand der rastlose
Dränger und Treiber in freundlichem Verkehr; sie alle, der Steingut—
fabrikant Bachmann in Mettlach an der Saar so gut wie die Direktion
der Königshütte in Oberschlesien, empfingen von ihm Rathschläge, Nach—
richten, Modelle, und nie war er froher, als wenn er durch einen technischen
Fortschritt zugleich die Veredlung des Geschmacks fördern konnte.
Seit Jahren schon verfocht Staatsrath Kunth, der Erzieher der Brüder
Humboldt die Meinung, daß der classische Unterricht der Gymnasien nicht
mehr genügte um die künftigen Gewerbetreibenden für die so mächtig ge—
steigerten Aufgaben des modernen Verkehrs auszurüsten. Auch die mannig—
fachen Vorbildungsanstalten für technische Berufe, die schon seit dem Anfang
des achtzehnten Jahrhunderts unter verschiedenen Namen bestanden, reichten
nicht mehr aus. Jetzt ward dem Mangel endlich abgeholfen durch die
Einrichtung von Gewerbeschulen, die von der classischen Bildung ganz
absahen und den Unterricht auf Mathematik, Naturwissenschaft, Zeichnen,
moderne Sprachen beschränkten. Das Unterrichtsministerium zeigte sich
diesen von Motz eifrig beförderten Unternehmungen sehr ungünstig. Süvern
und die anderen philologisch geschulten Räthe Altenstein's wollten sich nicht
trennen von dem Idealbilde der Einheitsschule, das in der Mannigfaltig-
keit der modernen Volkswirthschaft weder erreichbar noch nöthig ist, da die
großen gemeinsamen Interessen der bürgerlichen Gesellschaft die Stände
doch immer wieder zusammenführen. Die Magistrate der großen Städte
aber konnten sich den gebieterischen Anforderungen des praktischen Lebens
nicht entziehen. Voran ging Magdeburg (1819), wo Kunth eifrig mit-
wirkte. Fünf Jahre darauf bewirkte Bürgermeister Bärensprung in Berlin,
nicht ohne despotische Eigenmächtigkeit, die Eröffnung einer Gewerbeschule,
die unter der Leitung des wackeren Polyhistors Klöden kräftig gedieh und
verwandten Anstalten in Breslau, Stettin, Elberfeld zum Vorbilde diente.
Bald war keine Provinz mehr ohne Gewerb= und Realschulen; in Ober-
schlesien wurden auf Beuth's Andringen ihrer drei zu gleicher Zeit er-
öffnet. So entstand eine neue Form deutscher Bildung, minder geistvoll
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