Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

Auflockerung des mitteldeutschen Handelsvereins. 679 
sonst ein unmittelbares Interesse an solchen Verhandlungen, sondern nur 
das eine Interesse, „daß dadurch eine engere Verbindung zwischen den 
deutschen Völkern begründet und durch diese ein neuer Segen über Deutsch— 
land und dessen einzelne Staaten verbreitet werde. Wird dabei der 
Grundsatz befolgt, solche gemeinschaftliche Maßregeln zu verabreden, wo— 
durch nur in dem eigenen Gebiet bisher bestandene Hemmungen im 
gegenseitigen Verhältniß zu einander aufgehoben und keine neuen zur 
Störung des Verkehrs mit anderen Staaten angeordnet werden, so kann 
sich Niemand über eine Vereinigung, welche auf einer solchen Grundlage 
errichtet wird, beschweren. Jede solche Vereinigung bildet vielmehr den 
Uebergang zu einer neuen; und in einer solchen praktisch fortschreitenden 
Entwicklung, welche keinem feindseligen Princip Raum giebt, läßt sich 
hoffen, daß allmählich das Problem einer gegenseitigen Freiheit des Ver- 
kehrs zwischen den deutschen Staaten in dem größtmöglichen Umfange, 
welchen überhaupt die Natur der Verhältnisse gestattet, gelöst werde.“.) 
Hannover suchte noch einige unwahre Entschuldigungen vorzubringen, doch 
allein mit dem Berliner Hofe zu verhandeln war dem Welfenstolze un- 
möglich. 
Sachsen und Kurhessen unterließen nunmehr jede Anfrage; indeß 
konnte sich der Dresdner Hof eine Rechtfertigung seiner Handelspolitik 
nicht versagen. Geh. Rath v. Könneritz — in späteren Jahren als Mi- 
nister eine Säule der hochconservativen Partei — verfaßte eine Denk- 
schrift im kursächsischen Curialstile und wiederholte darin die alten hundert- 
mal widerlegten Anklagen gegen das preußische Zollsystem. Dann ver- 
sicherte „man annoch fordersamst“: der mitteldeutsche Verein sei „eine 
völkerrechtlich vollkommen statthafte und in der Staatengeschichte gar nicht 
ungewöhnliche Uebereinkunft mehrerer souveräner Staaten, eine zur Rettung 
der dem hiesigen Lande unentbehrlichen Nahrungszweige, des Fabrikwesens 
und des Handels, nothwendig bedungene Maßregel“ — und sprach sein 
Befremden aus, daß Preußen dieser unschuldigen Verbindung entgegen- 
arbeite. Motz, von Eichhorn befragt, ob eine Verhandlung mit Sachsen 
räthlich sei, erwiderte: „Sachsen gewinnt durch eine Zollvereinigung mit 
Preußen in allen Beziehungen vorzugsweise, und Preußen kann dieselbe 
mehr nur in politischer, weniger in finanzieller Beziehung wünschen. Auch 
die politischen Vortheile sind mehr in der hierdurch geförderten Einigung 
von Deutschland als in dem besonderen Anschluß von Sachsen an Preu- 
ßen zu suchen. Sachsen kann freundlicher, rücksichtsvoller Verhandlungen 
gewärtig sein, wenn es seine mitteldeutschen Verpflichtungen aufgiebt, deren 
Dauer den Anschluß an das preußische Zollsystem geradezu verhindert. 
Herr v. Könneritz gehört zu den beschränkten einseitigen Köpfen, deren 
Belehrung, wenn man auch Zeit daran wenden wollte, ebenso unfruchtbar 
—... — — — — — — 
*) Das hannov. Cabinetsministerium an Bernstorff, 14. Aug., Antwort 31. Okt. 1829. 
 
	        
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