704 III. 9. Literarische Vorboten einer neuen Zeit.
das noch unfertige nationale Selbstgefühl der Deutschen ebenso zerstörend
und zersetzend, wie vormals auf die versinkenden Völker des römischen
Kaiserreichs.
So weit der jüdische Kosmopolitismus abendländische Völker verstehen
konnte, fühlte er sich zunächst zu den Franzosen hingezogen, nicht bloß durch
eine berechtigte Dankbarkeit, sondern auch durch das Bewußtsein innerer
Verwandtschaft. Einer Nation, die seit Jahrhunderten keine politische Ge—
schichte mehr besaß, war nichts so fremd wie der historische Sinn. Die
Pietät der Germanen erschien ihr lächerlich, das moderne Frankreich aber
hatte mit seiner Geschichte gebrochen, hier fand sie sich leichter zurecht,
denn hier war der Staat blank und neu, scheinbar rein aus dem Verstande
heraus erschaffen. Das jüdische Literatenthum bestärkte daher den deut—
schen Radicalismus in seiner urtheilslosen Vorliebe für Frankreich. Auch
das gellende Zetergeschrei, das die jüdischen Publicisten nach ihrer natio-
nalen Gewohnheit anzustimmen liebten, diente nicht zur Veredlung unserer
politischen Sitten, zumal da die Deutschen selber im Streite leicht ge-
schmacklos werden. Der berechtigte politische Groll der Zeit verfiel in maß-
lose Uebertreibungen seit der jüdische Christenhaß die Flammen schüren half.
Am verderblichsten aber wurde dem deutschen Radicalismus die son-
derbare jüdische Unart der Selbstverhöhnung. Dies Volk ohne Staat,
das weithin durch die Welt zerstreut, Sprache und Sitten anderer Völker
annahm ohne doch sich selber aufzugeben, lebte in einem ewigen Wider-
spruche, der, je nachdem man sich stellte, bald tragisch bald komisch erschien.
Dem behenden jüdischen Witze konnte die Lächerlichkeit des Contrastes
morgenländischer Natur und abendländischer Form nicht entgehen. Seit
Langem waren die europäischen Juden gewohnt, sich selber mit der äußersten
Rücksichtslosigkeit zu verspotten; das Grausamste was jemals über die Juden
gesagt wurde, stammt aus jüdischem Munde. Der Rassenstolz des aus-
erwählten Volkes gegenüber den Gojim war freilich so tief eingewurzelt,
daß er selbst durch die frechste Selbstverspottung nicht erschüttert werden
konnte. Jetzt drang diese jüdische Unsitte auch in die deutsche Literatur
ein, wo ihr durch die spielende Ironie der Romantiker und die politische
Verbitterung der Liberalen der Boden schon bereitet war; es galt für
geistreich, über das Vaterland schamlos, ohne jede Ehrfurcht, so von außen
her abzusprechen, als gehörte man selber gar nicht mit dazu, als schnitte
der Hohn gegen Deutschland nicht jedem einzelnen Deutschen ins tiefste
Herz. Die Deutschen verstanden sich aber wenig auf den Scherz, am
wenigsten auf diese orientalische Witzelei, sie nahmen manche Schmähung,
die gar nicht bös gemeint war, in vollem Ernst. Die radicale Jugend
begann die freche Verunglimpfung des Vaterlandes bald für das sichere
Kennzeichen der Gesinnungstüchtigkeit zu halten, weil der durch tausend
Hemmnisse beengte deutsche Staat ihren ungeduldigen Wünschen so schnell
nicht zu folgen vermochte; sie schimpfte so lange auf deutsche Hundedemuth