Schlacht von Navarin. 735
stellten außer Zweifel, daß Kaiser Franz, Metternich, Gentz durchaus
türkisch gesinnt und ihre Vermittlungsversuche in Konstantinopel nimmer—
mehr ehrlich gemeint waren. Noch werthvoller waren Maltzahn's Mit—
theilungen über Oesterreichs Staatshaushalt und Heerwesen; hier lag
der Schlüssel zum Verständniß der haltlosen Wiener Politik. Dieser
Staat, der so lange den Schiedsrichter Europas gespielt, befand sich
ganz außer Stande einen ernsthaften Krieg zu führen. Um die un—
geheuren Kosten der geheimen Polizei zu erschwingen, hatte man das Heer
arg vernachlässigt; in Wien selbst fehlten einzelnen Reiterregimentern
300 Pferde und mehr, viele Compagnien, die man für vollzählig ausgab,
zählten nur 60 Mann. Dazu die Verwirrung in den Finanzen und der
Charakter des Kaisers Franz, der in seinen jungen Jahren manchen leicht—
sinnigen Krieg geführt hatte, jetzt aber zu keinem kühnen Entschlusse mehr
zu bringen war.“)
Mit einem so unzuverlässigen und zugleich so schwachen Hofe konnte
eine rechtschaffene Regierung nicht gemeinsame Sache machen. Der preu-
ßische Gesandte in Konstantinopel ward daher angewiesen, unbekümmert
um den k. k. Internuntius die Friedensvorschläge des Dreibundes nach-
drücklich zu unterstützen, und im Spätjahr hatte sich Bernstorff den drei
verbündeten Mächten schon soweit angenähert, daß er den Gesandtschaften
kurzweg schreiben konnte: „Obgleich unser Hof weder bei dem Londoner
Vertrage mitgewirkt hat, noch ihm beigetreten ist, so billigt er doch ohne
Nückhalt dessen Grundsätze und Ziele.“““*) Das Verhältniß zu Oesterreich
ward sichtlich kühler, um so freundlicher das Einvernehmen mit Frankreich
und Rußland. Metternich aber konnte sich Preußens selbständige Hal-
tung nur aus der baaren Thorheit erklären und schmähte hinterrücks auf
die Unfähigkeit des Commis Bernstorff.
Mittlerweile erwiesen sich die Berechnungen des österreichischen Staats-
mannes nochmals als irrig. Der Dreibund, dessen Zerfall man in Wien
erwartete, hielt vorerst noch zusammen. Da der Sultan den Waffenstill-
stand ablehnte, so erhielten die drei Admirale Befehl, die Einstellung der
Feindseligkeiten auf Morea nöthigenfalls zu erzwingen. Sie verstanden
die Weisung nach handfester Seemannsart. Als Ibrahim Pascha der
Aufforderung nicht unzweideutig nachkam, wurde die prächtige Flotte des
Sultans am 20. Okt. 1827 in der Bucht von Navarin vernichtet. Froh-
lockend begrüßte die öffentliche Meinung des Festlandes die gänzlich uner-
wartete Nachricht; es schien wie eine Naturnothwendigkeit, daß die seit Jahren
schon geballte Faust der empörten Christenheit nun doch endlich schmetternd
niedergefallen war, und nicht ohne Grund schrieben sich die Philhellenen
einigen Antheil an diesem Siege zu, der von den Cabinetten nicht gewollt
*) Maltzahn's Berichte, 1., 25. Mai 1827 ff.
*") Vernstorff, Weisung an Jordan, 30. Dec. 1827.