204 IV. 3. Preußens Mittelstellung.
mildeste und zwangloseste aller Staaten,“ die einzige legitime Kirche
des Christentums, die römische, nur in der Form monarchisch, in ihrem
Geiste durchaus republikanisch sei. In einer Flugschrift „Satan und die
Revolution“ erklärte er den Zeitgeist und seine Propheten kurzweg für
das Reich des Teufels, den Geist der Lüge.
An seinen Berliner Schülern durfte er seine Freude haben; denn
sie bekämpften nicht nur die Torheiten des liberalen Vernunftrechts,
sondern auch den Begriff des Staates selber als eine philosophische Ab—
straktion und fanden alles Ernstes in Mecklenburg den deutschen Muster—
staat, „eine frisch grünende Oase in der toten Sandwüste des Konsti-
tutionalismus unserer Tage.“ Die Doktrinäre der „ständischen Monarchie“
bemerkten schon nicht mehr, daß auch Preußen einst fast in allen seinen
Territorien diese Herrlichkeit mecklenburgischer Adelslibertät gekannt hatte
und nur durch ihre Bändigung zur Großmacht emporgewachsen war. Das
Wochenblatt war vortrefflich geschrieben, gebildeter, anständiger als diegroße
Mehrzahl der liberalen Zeitungen, und seine tausend Abonnenten — eine
für jene Tage beträchtliche Zahl — gehörten durchweg den mächtigen, an-
gesehenen Ständen an. Von dem russischen Gesandten Ribeaupierre erhielt
Jarcke häufig wertvolle Mitteilungen. Kirchlichen Fragen ging er behut-
sam aus dem Wege; er wußte, daß er seine ultramontanen Hintergedanken
in Berlin nicht offen aussprechen durfte. Der König traute ihm nur halb
und ließ sich trotz der beständigen Fürbitten des Kronprinzen, Altensteins,
Schmeddings nie bewegen, dem Konvertiten einen ordentlichen Lehrstuhl zu
übertragen.“) Als Jarcke im November 1832 in die Stelle des verstorbenen
Gentz nach Wien berufen wurde, folgte er dem Rufe mit Freuden; dort
in der katholischen Luft konnte sich sein Talent freier entfalten und seine
fortdauernde Verbindung mit dem Wochenblatt wurde jetzt, seit er Metter-
nichs Weisungen empfing, um so bedeutsamer.
Um auch den gemäßigten Konservativen einen Sprechsaal zu eröffnen,
beriet sich im Sommer 1831 der wackere Buchhändler Perthes mit Bern-
storff, Eichhorn, Savigny und den Generalen Witzleben, Krauseneck, Rühle.
Bald nachher erschien, von Ranke geleitet, die „Historisch-politische Zeit-
schrift“, eine Revue großen Stils, reich an guten wissenschaftlichen Arbeiten,
unter denen die historischen Abhandlungen des Herausgebers den Preis
davontrugen. Auch den Tagespolitikern brachte Ranke reiche Belehrung:
zur Verwunderung der Liberalen schilderte er nach amtlichen Quellen die
noch ganz unbekannte Geschichte der neuesten preußischen Handelspolitik
zum ersten Male der Wahrheit gemäß, und über den Charakter der Juli-
Revolution urteilte er mit einer genialen Sicherheit, wie niemand sonst
unter den Zeitgenossen. Freilich konnte sein ganz auf das Schauen und
Erkennen gerichteter Geist nur auf die Einsicht, nicht, wie es die Auf-
*) Schmedding an Altenstein, 1. Aug. 1829. Der Kronprinz an Altenstein, 3. Febr.;
Antwort 10. Febr. 1832. Kabinettsordre an Altenstein, 18. Okt. 1832.