Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Vierter Teil. Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. (27)

Die Opposition im bayrischen Landtage. 245 
zwungen, eine halbe Million Gulden aus seinen eigenen Mitteln vor— 
zuschießen. 
Bei allen diesen Händeln trat wieder grell zu Tage, wie wenig der 
bayrische Staat noch vermocht hatte, den Gegensatz der Landschaften zu 
versöhnen. Die Pfälzer und die Franken standen fast sämtlich zu der 
liberalen Fahne, allen voran der Advokat Schüler aus Bergzabern, „die 
Stütze des Volks, der Koloß an Geist und Charakter“ — wie die Zei— 
tungen ihn nannten —, in der Tat ein feiner Kopf, der seine radikalen 
Ansichten fast immer klug und mit vornehmem Anstand vertrat. Bei den 
Altbayern dagegen herrschte die alte Begeisterung für Thron und Altar, 
mehr noch im Volke als unter den Abgeordneten. Die Münchener Bürger— 
schaft und die Tausende von Arbeitern, welche der königliche Kunstfreund 
bei seinen Bauten beschäftigte, grollten über die Schmälerung der Zivilliste 
und holten den Monarchen in feierlichem Zuge ein, als er von einer 
Reise heimkehrte. Die Gautinger Bauern scharten sich zusammen unter 
der Führung des bergischen Freiherrn von Hallberg, des allbekannten 
„Eremiten von Gauting“, und sendeten eine geharnischte Adresse: der 
König möge seinen getreuen Bauern nur winken, „und in einer Stunde 
haben Ew. Majestät keine lebenden Feinde mehr!“ Seitdem diente der 
Name der Gautinger, wie vormals am Rhein der Name der Hatzenporter, 
der liberalen Presse viele Jahre lang zur Bezeichnung des Bedientensinnes. 
Eine schwierige Mittelstellung zwischen den Parteien behauptete der 
junge Freiherr von Rotenhan aus der fränkischen Reichsritterschaft, ein 
Burschenschafter, von der Hochschule her mit Stüve und dem Jenenser 
Buchhändler Frommann befreundet, durch Blutsverwandtschaft und Ge- 
sinnungsgemeinschaft mit dem Berliner Präsidenten Grolman eng ver- 
bunden, ein edler Patriot von freiem, weitem Blicke, unabhängig nach 
oben wie nach unten. Die Liberalen wußten seinen Freimut noch nicht 
zu schätzen, weil er ein gläubiger Protestant war und als besonnener 
Reformer den Brandreden der Demagogen oft sehr scharf entgegentrat. 
Gleich ihm dachte sein Freund Graf Giech, der Schwiegersohn des Freiherrn 
vom Stein. Die beiden bildeten fast die einzige Brücke zwischen der 
historischen Staatsgesinnung des Nordens und dem vernunftrechtlichen 
Liberalismus des Südens. Wie weit die Kluft zwischen diesen Ansichten 
noch war, das empfand Christian Rauch sehr lebhaft, als er um jene 
Zeit zur Vollendung seines Königsdenkmals nach München kam; Thiersch 
und seine anderen bayrischen Freunde betrachteten ihn fast wie einen Ko- 
saken, weil er als guter Preuße das gerühmte allgemeine Staatsrecht 
nicht bewundern, in den Polen nur die Feinde seines Vaterlandes sehen 
wollte. 
Nach langem Feilschen kam das Budget doch noch zustande; die 
Abstriche waren so stark, daß man ein Fünftel der direkten Steuern 
erlassen konnte. Im übrigen leistete die lärmende Versammlung sehr
	        
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