Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Vierter Teil. Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. (27)

Vorbehalte der konstitutionellen Regierungen. 277 
nischem Wahne der Vater das eigene Kind opfern muß? König, laut 
beschwört dich dein Volk: schließe nicht den unglücklichen Bund mit jenen 
absoluten Mächten! Weise die Versucher zurück! Verscherze nicht die Liebe 
deiner Bayern.“*) Eine solche Sprache mußte den König erbittern. Vor 
den Bundesgesandten, die ihn in Franken besuchten, äußerte er lebhaft 
seinen Abscheu gegen den Liberalismus; zu Blittersdorff sagte er heftig: 
„von meinen früheren Ministern war ich verraten und verkauft.“*) 
Aber zur Bekanntmachung der Beschlüsse, bei denen er doch selbst mit- 
gewirkt hatte, konnte er sich noch immer nicht entschließen; seine souveräne 
Krone sollte sich nicht förmlich unter die Oberhoheit des Bundestages 
beugen. Vergeblich mahnte ihn Zar Nikolaus in einem eigenhändigen 
Briefe an die Pflichten der Bundestreue. **“) Erst im Oktober überwand 
er sich und ließ die Beschlüsse veröffentlichen, doch mit der Erklärung, 
daß dadurch die bayrische Verfassung nicht abgeändert, sondern vielmehr 
„deren treue Beobachtung erkräftigt werde“. 
Nirgends äußerte sich der öffentliche Unwille so stürmisch wie in 
Württemberg. Da die Schwaben bisher noch gar nicht zu Worte gekommen 
waren und noch immer vergeblich auf die Einberufung ihres Landtags 
warteten, so warfen sie allen Groll, den sie in diesen zwei Jahren an- 
gesammelt hatten, auf die neuen Bundesbeschlüsse. Nur der landständische 
Ausschuß blieb nüchtern; er konnte nach reiflicher Prüfung nicht finden, 
daß die Sechs Artikel den Bestand der Verfassung unmittelbar bedrohen 
sollten. Sonst war im Lande fast nur eine Stimme. Die Stuttgarter 
Bürger verlangten in einer Petition die Ablehnung der Bundesbeschlüsse, 
und des Königs Freund Maucler übertrieb nur wenig, als er nach Frank- 
furt schrieb: „nicht bloß die ewigen Gegner der Regierungen, die Anhänger 
der Einheit und Freiheit Deutschlands“, sondern auch die Treuen seien 
tief erbittert.x) Eine anonyme Schrift „Deutschlands Juli-Ordonnanzen“, 
die von „dem schändlichsten, dem fluchwürdigsten Verrat am Wohle der 
Menschheit“, von dem monarchischen Prinzip Caligulas und Neros sprach, 
fand viele gläubige Leser. Selbst Paul Pfizer ließ sich von der Ent- 
rüstung seiner Landleute fortreißen. Er arbeitete gerade an einer Schrift 
über den deutschen Liberalismus, um seine süddeutschen Freunde vor den 
Täuschungen der liberalen Selbstüberhebung, vor den Gefahren eines 
französischen Bündnisses zu warnen und ihnen vorzuhalten, daß sie für 
jetzt höchstens auf einen süddeutschen Sonderbund hoffen dürften, der aber 
  
*) Adresse der Würzburger Bürger an den König, o. D. „Vorstellung vaterlands- 
liebender Bürger Rheinbayerns, oder vielmehr Erklärung über und Verwahrung gegen 
die Bundestagsbeschlüsse vom 28. Juni 1832.“ Mit zahlreichen Unterschriften von Land- 
räten, Abgeordneten, Bürgermeistern, Lehrern usw. 
**v) Blittersdorffs Berichte, 17., 24. Sept. 1832. 
***) Küsters Berichte, 3., 22. Aug. 1832. 
) Blittersdorffs Bericht, 19. Aug. 1832.
	        
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