Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Vierter Teil. Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. (27)

308 IV. 5. Wiederbefestigung der alten Gewalten. 
Bunde nur zur Ehre gereichte, nicht vollständig veröffentlicht; die Liberalen 
fuhren fort, den freien Westen zu verherrlichen, den moskowitischen Zwing— 
herrn der Deutschen zu bekämpfen, obgleich sich Rußland mit keinem Worte 
in die Frankfurter Händel eingemischt hatte. 
Zu gleicher Zeit mußte der Bundestag noch eine andere, höchst wider- 
wärtige Verhandlung mit Frankreich führen. Nach dem Falle von War— 
schau war in Paris feierlich verkündigt worden, daß die Polen allesamt 
in dem gastlichen Frankreich ein Asyl finden sollten, und nur im Ver— 
trauen auf diese Zusage hatten die deutschen Regierungen den polnischen 
Flüchtlingen den Durchzug gestattet. Jetzt erklärte das Bürgerkönigtum 
plötzlich, jene aus Besançon in die Schweiz eingebrochenen Polen dürften 
nicht wieder nach Frankreich zurückkehren. Die Eidgenossenschaft wollte 
diese gefährlichen Gäste auch nicht bei sich behalten; denn sie bildeten, 
durch Zuzüge erheblich verstärkt, ein geordnetes kleines Revolutionsheer mit 
Hauptleuten, Leutnants und Korporalen, und konnten jederzeit den Auf— 
ruhr in den deutschen Süden tragen. Die Nachbarstaaten Bayern, Baden, 
Württemberg fühlten sich ernstlich bedroht, und in ihrer Angst verfuhren 
diese konstitutionellen Kabinette weit härter als jemals der Berliner Hof: 
sie erklärten am Bundestage, man müsse die Polen, sobald sie deutsches 
Gebiet beträten, dem Zaren ausliefern. Um dies Äußerste zu verhindern, 
wollte die Schweiz die Flüchtlinge nach England oder Amerika schaffen; 
sie verhandelte bereits mit dem Deutschen Bunde und den Niederlanden 
über die Frage, wie man die Legion von Besancçon sicher den Rhein 
hinab befördern könne. Da gab Frankreich endlich sein verdächtiges Doppel- 
spiel auf und gestattete den Polen, durch französisches Gebiet den Weg 
zur See einzuschlagen.“) 
Unter so schweren europäischen Kämpfen ward die Einheit des mili- 
tärischen Oberbefehls in der deutschen Bundesstadt endlich durchgesetzt. 
Neun Soldaten des Frankfurter Bataillons wurden kriegsrechtlich ver- 
urteilt wegen Beihilfe bei dem letzten Fluchtversuche. Gleichwohl blieb die 
Bewachung der inneren Stadt nach wie vor dieser republikanischen Kriegs- 
schar allein anvertraut, und die jugendlichen Hochverräter fanden also 
noch reichliche Gelegenheit, dem Bundestage neuen Kummer zu bereiten. 
Im Oktober 1836 wurde den Verhafteten ihr Urteil verkündigt; am 
Tage darauf verschwand Rochau mitsamt seinem bestochenen Gefängnis- 
wärter. Im Januar des folgenden Jahres entflohen noch sechs Studenten 
aus der Konstablerwache, während die Wachmannschaft sich mit Karten- 
spiel vergnügte, und jetzt endlich beschloß der Bundestag, was Preußen 
schon vor vier Jahren beantragt hatte: die unglücklichen Sechs, die nach 
so vielen Entweichungen noch übrig blieben, wurden in das sichere Mainz 
abgeführt. 
*) Schreiben des Vororts Zürich an Graf Münch-Bellinghausen, 30. Juli; Naglers 
Berichte, 15. Nov. 1833 ff.
	        
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