Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Vierter Teil. Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. (27)

324 IV. 5. Wiederbefestigung der alten Gewalten. 
der Ostmächte: die drei Höfe müßten ihren Entschluß, „das göttliche Recht: 
aufrecht zu halten“, feierlich vor der Welt beweisen. Preußen erwiderte (Jan. 
1833): das alte Bündnis stehe fester denn je, seine förmliche Erneuerung sei 
überflüssig, ja gefährlich, denn sie könne nur bewirken, daß die Westmächte 
sich noch enger aneinander schlössen und also der Zwiespalt der Staaten- 
gesellschaft sich verschärfte. Nach langen Bemühungen erreichte Rußland 
nur, daß am 9. März 1833 in Berlin ein unschädlicher, nahezu inhalt- 
loser Vertrag zwischen den Ostmächten unterzeichnet wurde: die drei Höfe 
verpflichteten sich lediglich, die belgische Frage auf Grund der 24 Artikel, 
also im Einverständnis mit den Westmächten, zum Abschluß zu bringen, 
und versprachen dem König der Niederlande Schutz gegen weitere Angriffe 
— Angriffe, welche zur Zeit niemand beabsichtigte. 
Während also Preußen sich gegen die Petersburger Politik spröde ver- 
hielt, kam ihr die Hofburg dienstfertig entgegen. Seit der Juli-Revolution 
bewarb sich Metternich um die russische Freundschaft, unaufhörlich und 
mit wenig Würde. Er hoffte, die Vertrauensstellung, welche Preußen in 
Petersburg so lange behauptet hatte, nunmehr dem österreichischen Hofe 
zu verschaffen, und reizte den verhaltenen Groll des Zaren beständig 
durch Verleumdung der preußischen Staatsmänner, durch mehr oder minder 
deutliche Klagen über die Berliner Feigheit. Sein Vertrauter, der Ge- 
sandte Graf Ficquelmont, einer der feinsten Diplomaten aus der Schule 
des Staatskanzlers, hörte ehrfurchtsvoll die legitimistischen Zornreden des 
Selbstherrschers und bekräftigte sie stets mit einem herzerfreuenden sol- 
datischen Biedersinne. Von kriegerischen Absichten blieb Metternichs Angst- 
lichkeit nach wie vor weit entfernt, allein er fürchtete die Revolution in 
Italien. Seine wiederholten Bemühungen um die Bildung eines italieni- 
schen Fürstenbundes waren an dem partikularistischen Stolze der Bour- 
bonen von Neapel gescheitert, und die Nachrichten von den Unruhen in 
Piemont lauteten hochbedenklich: in den Reihen der Verschworenen fanden 
sich schon die furchtbaren Namen Gioberti, Mazzini, Garibaldi. Wie bald 
konnte Osterreich sich genötigt sehen, seine Truppen nach Turin zu senden 
und dadurch den Einmarsch der Franzosen, den allgemeinen Krieg herbei- 
zuführen! Für solchen Fall mußte die Hofburg auf Rußlands Beistand 
rechnen; war dieser gesichert, so schien nach österreichischer Anschauung 
auch Preußens Heeresfolge unausbleiblich. Auf die Gefühle des nord- 
deutschen Verbündeten zarte Rücksichten zu nehmen, hielt Metternich für 
überflüssig; denn eben in dieser Zeit tat der Berliner Hof wieder einen 
mächtigen Schritt zur Lösung des deutschen Dualismus, Schlag auf Schlag 
kamen die Nachrichten von Preußens Zollverträgen, und obwohl der öster- 
reichische Staatsmann die langnachwirkenden Folgen dieser Verhandlungen 
keineswegs klar erkannte, so ahnte er doch in dem werdenden Deutschen 
Zollvereine eine feindliche Macht. Also geschah es, daß der Wiener Hof 
sich jetzt mit jedem Mittel das russische Bündnis zu sichern trachtete, und
	        
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