Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Vierter Teil. Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. (27)

342 IV. 5. Wiederbefestigung der alten Gewalten. 
Volkssouveränität bestehe ein Zwiespalt, der beseitigt werden müsse; darum 
solle man offen die Frage beantworten, „was in Beziehung auf die Ge— 
fahren der Zeit der Bund in Zukunft von den deutschen Regierungen 
und was diese vom Bunde zu erwarten haben.“ Osterreich stellte also 
keinen Antrag, sondern nur eine Frage. Um die schwierige Antwort zu 
finden, vergrub sich die Konferenz dritthalb Monate hindurch im Dunkel 
ihrer Kommissionssitzungen. Das Geheimnis ward so streng gewahrt, 
daß selbst die in Wien beglaubigten Gesandten der deutschen Höfe nichts 
über die Beratungen der Minister erfuhren; von den Protokollen erhielt 
jeder der siebzehn Bevollmächtigten nur ein Handexemplar, jedes deutsche 
Kabinett einen zweiten Abdruck. 
Als die Konferenz am 26. März ihre zweite Sitzung hielt, konnten 
die Kommissionen nur sehr dürftige Ergebnisse ihrer tiefgeheimen Arbeiten 
vorlegen, und erst nach neuen, überaus peinlichen Verhandlungen wurden 
27 Artikel über die Landtage vereinbart. Der ursprünglichen Absicht zu- 
wider gelangte man zu der Einsicht, daß ohne neue Bundesgesetze nicht 
auszukommen sei, und um die ewigen Streitigkeiten über die Auslegung 
der Landesverfassungen oder über die Grenzen der ständischen Rechte endlich 
abzuschneiden, beschloß man ein Bundesschiedsgericht einzusetzen. Jede 
der siebzehn Stimmen des engeren Rates sollte zwei Spruchmänner er- 
nennen, aus diesen hatten dann gegebenen Falles die streitenden Parteien 
je drei Richter und der Bundestag einen Obmann auszuwählen. Es 
geschah zum ersten Male, daß der Deutsche Bund sich zur Errichtung einer 
dauernden Bundesbehörde aufraffte. Aber der offenbar wohlgemeinte, von 
Alvensleben mit großem Fleiße ausgearbeitete Plan litt an einem un- 
heilbaren Gebrechen: wie die Spruchmänner allein von den Regierungen 
ernannt wurden, so sollten auch die Regierungen allein berechtigt sein, 
vom Bundestage die Einberufung des Bundesschiedsgerichts zu verlangen, 
die Landstände durften höchstens darum bitten. Die mißtrauische öffent- 
liche Meinung mußte also glauben, das neue Tribunal sei grundsätzlich 
parteiisch, sei lediglich bestimmt, die Kronen gegen die Landstände, nicht 
auch die Verfassungen gegen die Fürsten zu beschützen. Zur allgemeinen 
Verwunderung verlangte Bayern, das früherhin immer jede Bundesge- 
richtsbarkeit bekämpft hatte, jetzt sogar die Einsetzung eines Bundeskom- 
promißgerichts für die Zwistigkeiten zwischen den Bundesstaaten. Doch 
der partikularistische Trotz widerstrebte, und man gelangte nur zu dem 
matten Beschlusse, daß den Bundesgliedern freistehen solle, ihre nach- 
barlichen Streitigkeiten vor dem neuen Bundesschiedsgerichte auszutragen. 
Darauf folgten Bestimmungen über die landständischen Rechte — 
einige verständig, andere willkürlich, alle aber ausgezeichnet durch jene 
unklare, viel oder nichts sagende Form, welche der Bundesgesetzgebung 
eigentümlich blieb: denn da nur einstimmige Beschlüsse gefaßt werden 
durften, so war immer im Vorteil, wer den dehnbarsten Ausdruck vor-
	        
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