Maassen Finanzminister. 351
treuer Mitarbeiter, der feurige Ludwig Kühne ihn beschwor, daß er seine
geistige Uberlegenheit den anderen Ministern zeigen möge, dann erwiderte
Maassen achselzuckend: dazu fühle er sich mit seinen einundsechzig Jahren
schon zu alt.) Überdies hatte der Finanzminister vollauf zu tun, um
die außerordentlichen Mittel für die Rüstungen zur Stelle zu schaffen,
die Tätigkeit des Auswärtigen Amtes aber ward durch die Kriegsgefahr
und die deutschen Unruhen ganz in Anspruch genommen. So erklärt es
sich, daß die mühselige Arbeit der handelspolitischen Einigung zwar stetig
vorwärts schritt, aber zunächst nicht so schnell gefördert wurde, wie man
wohl erwarten konnte, nachdem Motz Schlag auf Schlag die letzten En-
klaven aufgenommen, den Zollverein mit Darmstadt, den Handelsvertrag
mit Bayern-Württemberg abgeschlossen, den feindlichen Handelsverein der
Mitteldeutschen nahezu zersprengt hatte.
Die Nachspiele der Juli-Revolution gereichten der preußischen Handels-
politik zum Vorteil; sie räumten plötzlich alle die Hemmnisse hinweg,
welche das alte System in den norddeutschen Mittelstaaten dem Zollver-
bande entgegenstellte. Durch den Untergang der ständischen Anarchie in
Sachsen, der despotischen Willkür in Hessen war die Verwaltung beider
Länder den preußischen Institutionen angenähert worden; früher oder
später mußte die Verständigung erfolgen. In Kurhessen zunächst wurde
die Morschheit des alten Mautwesens offenbar. Nicht zuletzt die wirt-
schaftliche Not hatte die Volksbewegungen im Herbst 1830 hervorge-
rufen. Das Ländchen mit seinen 154 Geviertmeilen besaß 154 Meilen
Zollgrenze. Frecher als irgendwo auf deutschem Boden gedieh hier der
Schmuggel; in geschlossenen Scharen zogen die Schwärzer aus, maßen
sich mit den Zollwächtern in offenem Gefechte. Während die Kosten der
Zollverwaltung den Ertrag der Eingangsabgaben fast verzehrten, begann
jetzt auch der ergiebige Durchfuhrzoll zu versiegen, da der Transit sich
nach der neuen Thüringer Straße hinüberzog. Als die Unruhen aus-
brachen, verließen alle Mautbeamten im Hanauischen und Fuldischen ihre
Amtshäuser; Massen fremder Waren strömten unverzollt ins Land, und
der Bundesgesandte Meyerfeld erklärte dem Bundestage, die Regierung
dürfe nicht wagen, die Zollämter wiederherzustellen.“) Entsetzt schrieb
Blittersdorff: „Die Mauten können leicht für ganz Deutschland ein
Losungswort des Aufruhrs werden.“
Doch wie konnte Kurhessen aus dem unerträglichen Notstande heraus?
Die Regierung war zwiefach gebunden: durch den mitteldeutschen Handels-
verein und durch den Eimbecker Vertrag.““*“) Jener lag im Sterben,
*) Ich benutze im folgenden mehrfach eine Abschriftder Denkwürdigkeiten L. Kühnes,
die mir Herr Wirkl. Geh. Rat von Jordan mit Erlaubnis der Familie freundlich über-
lassen hat.
**) Blittersdorffs Bericht, 7. Okt. 1830.
**“) S. o. III. 680.