Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Vierter Teil. Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. (27)

Verhandlungen mit dem süddeutschen Zollvereine. 365 
preußischen Gewerbefreiheit widersprachen. Da die gleichmäßige Besteue— 
rung der inländischen Konsumtion mithin unausführbar blieb, so bestand 
die preußische Finanzpartei hartnäckig auf der Einführung von Ausglei— 
chungsabgaben. Die an sich richtige Meinung, daß jede Zollgemeinschaft 
die annähernde Gleichheit der indirekten Steuern voraussetze, war seit 
dem Jahre 1818 eine der leitenden Ideen der preußischen Handelspolitik. 
Die Berliner Finanzmänner hatten sich so tief in diesen Gedanken ein— 
gelebt, daß sie ihn alsbald mit fiskalischer Härte auf die Spitze trieben. 
Die Ausgleichungsabgaben sind lange, wesentlich durch Preußens Schuld, 
ein wunder Fleck der Zollgesetze geblieben; sie belästigten den Verkehr und 
brachten geringen Ertrag, auch nachdem sie späterhin die rein fiskalische 
Gestalt der „Übergangsabgaben“ annahmen. 
Irrte Preußen in dieser Frage, so erhoben auch die Südstaaten 
höchst unbillige Ansprüche. Sie verlangten anfangs eine völlige Umge— 
staltung des Tarifs und fanden namentlich die preußischen Zölle auf 
Baumwollenwaren unerträglich hoch, da sie selbst noch fast gar keine 
Baumwollenspinnereien besaßen. Und doch konnte Preußen nicht nach- 
geben. Sachsens Eintritt stand bevor, die preußische Industrie klagte laut 
über die drohende Mitwerbung des Erzgebirges; in solcher Stunde die 
Zölle herabzusetzen, schien selbst dem Freihändler Maassen nicht ratsam. 
Auch die von Württemberg geforderte Herabsetzung der Zuckerzölle ging 
nicht durch; die Interessen der mächtig aufblühenden Magdeburgischen 
Rübenzuckerindustrie durften nicht preisgegeben werden. Desgleichen die 
gefürchteten preußischen Transitzölle blieben noch unentbehrlich als ein 
sanfter Wink für die Nachbarn. Überhaupt war die Lage des Augen- 
blicks der Vereinfachung des Tarifs keineswegs günstig; Preußens Staats- 
männer ahnten, daß die süddeutschen Höfe in einer nahen Zukunft die 
Farbe wechseln, mit schutzzöllnerischem Eifer auf die Erhöhung der Zölle 
dringen würden. Lebhafter noch als dieser staatswirtschaftliche Kampf 
entbrannte der „staatsrechtliche Streit“, wie man in München zu sagen 
pflegte. Die verständige Bestimmung der preußisch-hessischen Verträge, 
wonach Preußen in der Regel allein die Handelsverträge für den Zoll- 
verein schließen sollte, galt dem bayrischen und dem württembergischen Hofe 
als eine schimpfliche Unterwerfung; sie forderten unbedingte Gleichheit in 
allem und jedem. 
So mannigfache sachliche Bedenken ins gleiche zu bringen, konnte 
nur erprobter staatsmännischer Kraft gelingen. Die oberdeutschen Höfe 
aber hatten, töricht genug, zwei junge Subalternbeamte für diese schwierige 
Mission bevollmächtigt, vermutlich nur aus Sparsamkeit. Die Ersparnis 
sollte ihnen teuer zu stehen kommen. Eichhorn hatte an den Unter- 
händlern der Kleinstaaten schon des Wundersamen viel beobachtet; eine 
Persönlichkeit wie dieser württembergische Bevollmächtigte, der Assessor 
Moritz Mohl, war ihm noch nicht vorgekommen. Die Diplomatie in
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.