374 IV. 6. Der Deutsche Zollverein.
Im März 1831 kam der sächsische Finanzminister von Zeschau nach
Berlin — neben dem Bayern Mieg, dem Hessen Hofmann und dem
Badener Böckh sicherlich der fähigste unter allen den Finanzmännern, mit
denen Preußen zu verhandeln hatte — tätig und kenntnisreich, ein ritter-
licher Charakter, schweigsam und bedächtig, noch von seiner preußischen
Dienstzeit her mit L. Kühne wohlbekannt. Die in Dresden gewünschte
Anderung des gesamten Tarifs gab er bald auf, gleichwohl ward er mit
Maassen nicht handelseinig. Erschreckt durch die Warnungen seiner Fabri-
kanten wollte Preußen provisorische Schutzzölle zu Gunsten einiger Fabrik-
waren einführen, damit die Industrie Zeit behielte, sich auf die Kon-
kurrenz des Erzgebirges zu rüsten. Zugleich verlangte man Entschädigung
für den drohenden starken Verlust an Durchfuhrzöllen. Kühne selbst fand
diese Forderungen zu hart; aus dem Madgdeburgischen gebürtig, betrachtete
er die Kursachsen halb als seine Landsleute und hielt dem Minister vor:
nach der Teilung Sachsens sei Preußen schon ehrenhalber verpflichtet,
dem Nachbarlande Wohlwollen zu zeigen. Als Maassen in diesen Fragen
endlich nachgegeben hatte, erhob sich sofort ein neues Hemmnis: die Meß-
frage. Frankfurt an der Oder hatte bisher für seine Messen einen Zoll-
rabatt genossen, der erst vor kurzem auf 20% herabgesetzt war; nun der
Eintritt Leipzigs bevorstand, wollte Preußen seinen schwer bedrohten kleinen
Meßplatz nicht ungünstiger stellen als bisher. Die Leipziger Kaufmann-
schaft dagegen sagte den unfehlbaren Verfall ihrer Messen voraus, falls
Frankfurt irgendein Vorrecht behalte; und „keine Regierung, am wenigsten
eine konstitutionelle“ — schrieb der sächsische Bevollmächtigte Wietersheim
— „kann einer so ausdrücklichen Erklärung der Repräsentanten des gefähr-
deten Nationalinteresses entgegenhandeln"“. Auch das altenburgische
Geheime Ministerium sendete ein dringendes Mahnungsschreiben nach
Berlin — „ohne alle äußere Aufforderung“, wie man unschuldig be-
teuerte — und schilderte in herzbrechenden Worten das furchtbare Schick-
sal, das dem unglücklichen Leipzig drohe.)
Da die Verhandlungen sich so ungünstig anließen, so wünschte der
sächsische Hof, geängstigt durch die fortdauernde Gärung im Lande, min-
destens einige Handelserleichterungen sofort zu erlangen, falls die voll-
ständige Vereinigung nicht möglich sei. Der Prinzmitregent selber
stellte diese Bitte in einem Handschreiben an den König von Preußen
(11. April 1831). Er gab zu bedenken, daß mit dem gänzlichen Miß-
lingen dieser Verhandlungen „die Ausführung des großen und für die
Sicherheit und Ruhe Deutschlands begründeten, von Ew. K. Maj. ver-
folgten Planes, die Interessen des Handels und Verkehrs in verschiedenen
deutschen Staaten zu vereinigen und dadurch zugleich das politische Band
— 440
—
*) Wietersheim an Eichhorn, 16. Aug.; Schreiben des altenb. Geh. Ministeriums
an das Ausw. Amt, 30. Sept. 1831.