Immermann. 447
den Terrorismus einer Burschenschaft verteidigte, rief er, allen Gesetzen
des Komments zuwider, in einer Streitschrift das öffentliche Urteil an
und brachte seine Beschwerde bis vor die Stufen des Thrones; mochten
die Gegner ihn verhöhnen, er hatte in dem Feldzuge von Belle-Alliance
wacker mitgefochten, seinen Mut durften sie ihm nicht abstreiten.“) Nach—
her lebte er lange als Richter, meist in Beamtenstädten, fast ohne künst—
lerischen Verkehr, und ging, wie Platen spottete, „morgens zur Kanzlei
mit Akten, abends auf den Helikon“. So in tiefer Einsamkeit verschlang
er die Kunstwerke aller Zeiten und Völker, aber seine eigenen Dichtungen
gelangten trotz seiner rastlosen Arbeitskraft noch nicht weit über den an—
empfindenden Dilettantismus hinaus. Keiner unserer namhaften Dichter
hat so viel Verfehltes oder Halbgelungenes geschaffen. Die zarte musi—
kalische Stimmung des Lyrikers blieb ihm fremd. Seine Dramen wirkten,
bei manchen Vorzügen, doch nicht überzeugend und konnten sich nicht lange
auf der Bühne behaupten; auch sein Merlin, ein gedankenreiches Gedicht
Faustischen Stiles, schreckte ab durch mystische Formlosigkeit. Der starke,
wie zum Herrschen geborene Mann trat im Gespräche jedem mit über—
legener Sicherheit entgegen; in seinen Werken erschien er oft wie ein
sklavischer Nachahmer, und zudem hegte er eine theoretische Vorliebe für
die Phantasiespiele des jungen Tieck, während seine eigene Anlage ihn doch
ganz auf die Darstellung des wirklichen Lebens hinwies. Seinem kern—
haften Wesen lag in Wahrheit nichts ferner als romantische Überschweng-
lichkeit; mit süßlicher Frömmelei hatte sein schlichter ernster Gottesglaube
nichts gemein, und auch die sentimentale Naturschwärmerei der Zeit war
ihm ein Greuel. Er wußte aus der Geschichte, daß die Blüte der Mensch—
heit in den Alpen nicht gedeiht; er empfand an sich selber, daß die höchste
Pracht der Natur den Geist ebenso leicht erdrücken wie erheben kann, und
sagte ehrlich: „Ich kann nur mit der Natur Freundschaft stiften, der ich
es ansehe, daß menschliche Kräfte leicht und frei auf sie einwirken können.“
Erst als ihn ein freundliches Geschick nach Düsseldorf geführt hatte,
begann er sich von dem angelernten Bombast zu befreien und fand ein
fruchtbares Arbeitsfeld auf dem Grenzgebiete zwischen Poesie und Prosa.
Dort unter dem leichtlebigen Düsselvölkchen, das noch von den pfälzischen
Zeiten her Becherlust und Mummenschanz liebte, war seit der preußischen
Herrschaft einer jener kleinen Kulturherde entstanden, denen das deutsche
Leben seine Wärme dankt. Die neue Kunstakademie stand auf der Höhe
ihres Ruhms, die Konzerte leitete der junge Felix Mendelssohn-Bartholdy.
Auf seinem Landgerichte traf Immermann zwei gleichgesinnte Amtsgenossen,
den Kunsthistoriker Schnaase und den ernsten frommen Dichter Friedrich
von Uechtritz. In dem kunstsinnigen Hause des Geh. Rats von Sybel ge-
noß er heitere Gastlichkeit und bald herzliche Freundschaft; auch der Hof
*) S. o. II. 431.