Witzleben Kriegsminister. 545
samtertrag des Kammerguts nicht geschmälert wurde. Sie beschuldigten
das Finanzministerium, durch diese Domänenverkäufe werde die Selbstän—
digkeit der Krone untergraben; auch Schön, der sich selber für den allein
berufenen Finanzminister hielt, und der alte, in die Oberrechnungskammer
verbannte Ladenberg stachelten den Kronprinzen auf.5) Zur unglücklichen
Stunde veröffentlichte nun der Direktor der Domänenverwaltung Geh.
Rat Keßler in Rankes Zeitschrift einen Aufsatz, der ziemlich unverblümt
aussprach, daß der Staat mit Ausnahme der Forsten keines Grundbesitzes
bedürfe. Keßler zählte, wie die liberalen Geheimen Räte fast allesamt,
zu den unbedingten Verehrern Adam Smiths, die beiden Minister ver-
standen jedoch als gewiegte Praktiker seinen doktrinären Eifer zu zügeln.
Sein Aufsatz erregte am Hofe des Kronprinzen allgemeine Entrüstung.
Als Alvensleben den Ministerposten erhielt, mußte er sich's gefallen lassen,
daß die Verwaltung der Domänen und Forsten unter Ladenbergs Leitung
dem Hausministerium zugeteilt wurde. Keßler ging als Regierungspräsi-
dent nach Arnsberg. Ladenberg aber setzte seinen Stolz darein, das Kam-
mergut ganz ungeschmälert zu erhalten; er gab eine Veräußerung nur
noch ausnahmsweise zu, wenn etwa in Neuvorpommern oder Posen kleine
Bauern angesiedelt werden sollten. Also verlor der Finanzminister die
freie Verfügung über eine wichtige Einnahmequelle; das Handels= und Ge-
werbswesen wurde ebenfalls einer selbständigen Verwaltung, unter Rothers
Leitung, zugewiesen, und der alte widerwärtige Streit der Departements
entbrannte von neuem. —
Ein eigener Unstern waltete auch über dem Kriegsministerium. Wäh-
rend der Revolutionsjahre trug die falsche Sparsamkeit des Ministers
von Hake schlimme Früchte: die Mobilmachung ward nur darum so kost-
spielig, weil man jetzt in Eile Vorräte anschaffen mußte, die schon im
Frieden hätten vorhanden sein sollen. Unter den Generalen war nur eine
Stimme der Zufriedenheit, als Hake (1833) endlich den Abschied nahm
und Witzleben sein Nachfolger wurde. Alle meinten, daß der König die
beste Wahl getroffen habe; auch auf die Haltung des Gesamtministeriums
konnte Witzlebens furchtloser Freisinn nur günstig einwirken. Die über-
mäßige Arbeit im Kabinett hatte aber die Kräfte des erst fünfzigjährigen
Generals bereits erschöpft, als er die ihm gebührende Stellung erlangte.
Er fühlte sich schon krank, da er sein Amt antrat, und bis zu seinem
Tode (1837) ward er nie wieder ganz gesund. So sind die großen Hoff-
nungen, welche die Armee mit gutem Grunde auf den hochverdienten Mann
setzte, doch nicht in Erfüllung gegangen, und sein Nachfolger, der gelehrte
Ingenieurgeneral von Rauch war schon zu alt, um die Kriegsverwaltung
mit frischem Geiste zu beseelen.
Die schwere Frage, wie die allgemeine Wehrpflicht vollständig verwirk-
*) Nach Kühnes Aufzeichnungen.
v. Treitschke, Deutsche Geschichte. W. 35