Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Vierter Teil. Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. (27)

Kampt und das rheinische Recht. 551 
Aber auch zu berechtigten Beschwerden gab ihnen Kamptz reichlichen An— 
laß. Dieser seltsame rheinische Justizminister hatte seines Hasses gegen den 
Code Napoleon kein Hehl und begann wider die rheinischen Gerichte einen 
kleinen Krieg, der die Provinz nur in ihrer Vorliebe für das französische 
Recht bestärken konnte. Er befahl den rheinischen Oberprokuratoren, gegen 
alle Erkenntnisse der Polizeigerichtshöfe sofort Einspruch zu erheben, weil 
man sich auf diese Gerichte nicht verlassen könne*), und gebrauchte das 
ihm zustehende Recht der Strafmilderung so rücksichtslos, daß die rheini— 
schen Richter sich in ihrer Amtsehre beleidigt fühlten; denn das rheinische 
Recht, so sagte er oft, ist mit Blut geschrieben. 
Da trat ihm der Düsseldorfer Oberprokurator von Ammon in den 
Weg, ein tapferer Liberaler, der seine preußische Gesinnung als Freiwilliger 
im Befreiungskriege bewährt hatte und in den rheinischen Assisen ein 
Kleinod deutscher Volksfreiheit sah. Ammon wendete sich an den König 
selbst und beschwor ihn, „den ministeriellen Eingriffen ein Ziel zu setzen;“ 
wenn er das fremde Recht verteidige, so geschehe es nur, „weil manche 
fremde, aber ursprünglich aus deutscher Wurzel entsprossene Justiz-Einrich- 
tungen“ besser seien als die heimischen.“) Nun entspann sich ein langer, 
gehässiger Streit; durch mannigfache Kränkungen suchte sich Kamptz an 
dem unbotmäßigen Untergebenen zu rächen. Der König aber entschied 
gegen den Minister; er nahm ihm das Recht, die Strafurteile zu mil- 
dern?*), und mißbilligte ernstlich die gegen Ammon erwiesene Härte.#, 
Durch solche Händel geriet Kamptz am Rhein dermaßen in Verruf, daß 
der Oberpräsident Bodelschwingh, ein Vetter Ammons, dem Könige end- 
lich offen aussprach, dieser Feind des rheinischen Rechts könne nicht länger 
mehr rheinischer Justizminister bleiben. Kamptz sträubte sich lange; erst 
auf Bodelschwinghs stürmisches Zureden legte er sein rheinisches Amt 
nieder, um fortan ausschließlich den Arbeiten der Gesetzrevision zu leben 
(Dez. 1838).) 
Nunmehr übernahm Mühler die Justizverwaltung für das ganze Staats- 
gebiet; für das rheinische Recht wurde eine besondere Ministerialabteilung 
gebildet und der gefeierte Kölner Jurist Ruppenthal zu ihrer Leitung be- 
rufen. Damit war unzweideutig ausgesprochen, was sich aus den frucht- 
losen Arbeiten der Gesetzrevision ohnehin ergab, daß die Rheinländer ihr 
Sonderrecht noch lange behalten würden. Welch ein Wandel der Mei- 
  
ich früher (III. 384) übersehen. In der dritten Auflage ist der Irrtum inzwischen be- 
richtigt worden. 
*) Kamptz, Erlaß an die rheinischen Oberprokuratoren, 13. Dez. 1834. 
*“.) Ammon, Darstellung der rheinischen Kriminalrechtspflege, dem Könige über- 
sendet 1. Febr. 1835. 
***) Kabinettsordre vom 23. März 1835. 
+Kabinettsordres an Kamptz, 12. Juli 1835; an Ammon, 19. Okt. 1836. 
##) Berichte von Frankenberg, 6. Dez., von Berger, 6. Dez. 1838.
	        
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