608 IV. 8. Stille Jahre.
rechte, der Demokratischen Gesellschaft der Polen im Verkehr blieben.)
Machtlos für den Augenblick, wurden die Geheimbündler doch für die Zu-
kunft bedeutsam; ihre langjährige, still wühlende Arbeit half die Aufstände
des Jahres 1848 vorbereiten.
Mittlerweile zogen einzelne anschlägige Köpfe aus der Lehre der un-
bedingten Gleichheit schon die letzten, den Begierden der Masse einleuchten-
den Folgerungen. Bereits zur Zeit der Juli-Revolution hatte der erfin-
dungsreiche Techniker Hall — derselbe, der in späterer Zeit durch das
Gallisieren des Weines bekannt wurde — den Plan entwickelt, die Macht
des großen Kapitals durch die Assoziation des kleinen zu bekämpfen. Seine
Worte verhallten noch ungehört. Ganz anderen Anklang fand nachher
der erste Apostel des reinen Kommunismus im neuen Deutschland, der
Schneider Wilhelm Weitling. Der war zu Magdeburg in den gedrückten
Verhältnissen des kleinen Handwerks aufgewachsen; dann fügte es der
Humor des Schicksals, daß der hübsche, gescheite Schneidergesell im Liebes-
wettstreit um ein Mädchen einen Erzherzog ausstach. So lernte er die
Schwächen und die Rachsucht der Mächtigen der Erde aus der Nähe kennen.
In Paris ward er in die Lehren Cabets und Fouriers eingeweiht und
ging alsdann in die Schweiz, um die deutschen Arbeiter zu entflammen.
Sein Büchlein „Die Menschheit wie sie ist und wie sie sein sollte“ (1838)
war auf Fassungskraft und Neigung der Massen wohl berechnet und nicht
ohne Begeisterung geschrieben, obgleich das gute Essen und Trinken unter
seinen Zukunftsidealen einen unbillig breiten Raum einnahm. Ausgehend
von der apostolischen Einfachheit des ältesten Christentums versicherte er
kurzab: „reich und mächtig sein heißt ungerecht sein“ und forderte zum
Besten der Arbeiter, „der nützlichsten Menschen des Erdbodens, den Zu-
stand der gesellschaftlichen Gleichheit,“ dergestalt, daß selbst die beiden
Geschlechter gleich erzogen würden. In fünf, späterhin in drei täglichen
Arbeitsstunden sollte die Gesellschaft ihre gemeinsamen Aufgaben erledigen;
indes stand jedem frei, sich durch außerordentliche Arbeiten, durch „Kom-
merzstunden“ noch besondere Genüsse zu verschaffen. So werde „die Welt
sich in einen Garten und die Menschheit in eine Familie verwandeln“. So
liebliche Bilder mußten wohl manchen beladenen kleinen Mann betören;
der Prophet redete scheinbar ganz harmlos und vermied die Frage, wie
der große Umsturz möglich werden solle.
Auch die Auswanderung nach Nordamerika wurde durch den Unfrieden
der Revolutionsjahre mächtig gefördert. In dem Jahrzehnt bis 1840
nahmen die Vereinigten Staaten etwa 182 000 deutschredende Auswan-
derer auf, zwölfmal mehr als im vergangenen Jahrzehnt; die Jahresziffer
sank seit 1832 nicht mehr unter 10 000, im Jahre 1840 stieg sie auf
*) Hans (d. h. Kand. Curtmann aus Hessen) an Rauschenplatt, London, 29. Sep-
tember 1836. Polizeibericht aus London an die Bundeszentralbehörde, 18. Aug. 1837.