Gregor XVI. und der belgische Klerus. 685
lich verschwanden, um nachher unter den Rotröcken des römischen Ger—
manicums wieder aufzutauchen; kehrten sie dann heim, so waren ihre
Münchner Abgangszeugnisse, dank den unbekannten bayrischen Gönnern,
stets in bester Ordnung.
Durch den glänzenden Sieg, welchen der römische Stuhl auf dem
alten Schlachtfelde der Konfessionen, in Belgien erfochten hatte, war das
Selbstvertrauen der Klerikalen überall mächtig angewachsen; sie nannten
sich jetzt selbst die ultramontane Partei, und der Name ist ihnen fortan
geblieben. Welch ein unermeßlicher Vorteil, daß man fortan triumphierend
auf jenes Land verweisen konnte, das von den kurzsichtigen Liberalen als
ein Musterstaat gefeiert wurde: die Alleinherrschaft der römischen Kirche
war also mit konstitutioneller Freiheit nicht unvereinbar! Der belgische
Klerus verleugnete seine hispanische Schule nicht; seine Sprache gegen
die evangelische Kirche ward immer dreister und drohender. Einer der
flandrischen Bischöfe, van der Velde, warnte seine gläubige Herde in einem
Hirtenbriefe vor den Verführern, welche das katholische Volk in der Fasten-
zeit zu Tanzvergnügungen, zum Besuche unzüchtiger Schauspiele und zum
Lesen der heiligen Bücher in der Volkssprache verleiteten; durch solche
Mittel suchten die Bibelgesellschaften die Gewissen zu betören, „wie ihre
würdigen Muster im sechzehnten Jahrhundert mit so sehr zu beklagendem
Erfolge getan!“ Solange die französische Revolution den Klerus unter-
drückte und beraubte, stand die Kurie im Lager der konservativen Höfe;
jetzt aber erhoben sich überall revolutionäre Mächte, welche der Kirche
günstig schienen, und sofort zeigte sich, daß die römische Politik nur kirch-
liche Ziele verfolgen darf, mithin alle politischen Parteien lediglich als
Mittel behandeln kann. In Belgien stand die Klerisei an der Spitze der
Rebellen, und sobald sie die Teilung der Niederlande durchgesetzt, wußte
sie alle die konstitutionellen Freiheiten, welche der römische Stuhl so oft
verdammthatte, die Freiheit der parlamentarischen Rednerbühne, der Presse,
der Vereine mit großem Geschick für ihre Zwecke auszunutzen. In Polen
wie in Irland schürten die Ultramontanen den Aufruhr; auch in Frank-
reich hielten sie sich bereit, jederzeit mit der radikalen Opposition zusammen-
zugehen, weil sie trotz der Nachgiebigkeit, welche Ludwig Philipp ihnen er-
wies, den durchaus unkirchlichen Charakter dieses Bürgerkönigtums richtig
erkannten. Am allerwenigsten wollten sie die alte Pfaffengasse des deut-
schen Reichs dem Staate gönnen, den sie mit Recht für die Vormacht des
festländischen Protestantismus hielten. Allen Rheinländern war wohlbe-
kannt, daß überall geheime Späher des römischen Stuhles und der bel-
gischen Ultramontanen das Verhalten des Klerus sorgfältig belauerten und
jeden Mißgriff der Regierung ausbeuteten; manche Heißsporne empfahlen
die Vereinigung des Rheinlands mit dem katholischen Belgien, andere
wünschten das fromme Haus Wittelsbach, das zwei Jahrhunderte hindurch
in Düsseldorf und in Köln geherrscht hatte, an den Rhein zurückzuführen.