76 IV. 1. Die Juli-Revolution und der Weltfriede.
Revolution erlebt und befürchtete, auch dieser neue Aufstand werde wieder
mit der Einverleibung in Frankreich endigen. Seine Räte Lebeau,
Devaux und der junge Nothomb dachten mutiger; sie verfielen auf den
glücklichen Gedanken, dem Witwer der Prinzessin von Wales, dem Prinzen
Leopold von Koburg, die Krone anzubieten. Es konnte nicht fehlen, daß
der englische Hof dieser Kandidatur zustimmte. Den Ostmächten erschien
der deutsche Prinz nicht unannehmbar; auch Ludwig Philipp stimmte bald
zu und benutzte die Gelegenheit zu einem vorteilhaften Geschäfte, indem
er dem Koburger die Hand seiner Tochter Luise versprach. Der kluge,
ehrgeizige Prinz war bereit, dem Rufe zu folgen, und bewährte sogleich
seine diplomatische Meisterschaft. Er sah ein, daß Belgien ohne Verstän—
digung mit der Londoner Konferenz seine Unabhängigkeit nicht behaupten
konnte. Es gelang ihm, erst Palmerston, dann auch die anderen Bevoll—
mächtigten zu überreden, und am 27. Juni entschloß sich die Konferenz,
ihre früheren Beschlüsse über die Teilung des Gebiets und der Staats—
schuld zu Gunsten Belgiens etwas abzuändern. Die neuen Vorschläge
für die Friedenspräliminarien wurden in Achtzehn Artikeln zusammen—
gefaßt und von dem belgischen Kongresse angenommen. Nunmehr durfte
Leopold mit einiger Sicherheit auf die Anerkennung der großen Mächte
hoffen; am 21. Juli zog er als König in Brüssel ein.
König Wilhelm empfand das alles wie eine persönliche Beschimpfung.
Die Achtzehn Artikel waren ohne Vorwissen der holländischen Bevollmächtig-
ten zwischen Palmerston, Leopold und den Belgiern verabredet und von den
Gesandten der Ostmächte nur darum gutgeheißen worden, weil diese immer
noch vertrauensvoll auf Englands Freundschaft bauten, den britischen
Minister nicht ganz in Frankreichs Arme treiben wollten. Um die Zu-
stimmung des Oraniers nachträglich zu erwirken, sendete die Konferenz
den Freiherrn von Wessenberg nach dem Haag. Widerwillig unterzog sich
der Österreicher dem peinlichen Auftrage; er wußte, daß Kaiser Franz
und Metternich dies neue Zugeständnis an den belgischen Aufruhr sehr
ungern sahen, und schrieb entschuldigend: „Wir haben gegen uns die
Zeit, die Ereignisse, Frankreich und selbst England.“ Die Sendung blieb
erfolglos, wie Metternich vorausgesehen.) König Wilhelm verwarf nicht
nur die Achtzehn Artikel, er entschloß sich auch zu einem neuen Waffen-
gange, um schlimmstenfalls die Ehre seiner Fahnen wiederherzustellen.
Am 1. August ließ er den Waffenstillstand kündigen. In einem Feldzuge
von zehn Tagen warf sein tapferes Heer, unter der Führung des Prinzen
von Oranien und des Herzogs Bernhard von Weimar, die erbärmlichen
belgischen Milizen gänzlich über den Haufen; nach dem Gefechte von
Hasselt war der neue König selbst in Gefahr, gefangen zu werden. Da
*) Wessenberg an Metternich, 27. Juni. Metternich an Esterhazy, 6. Juli,
an Trauttmansdorff, 8. Juli. Maltzahns Berichte, 16. 20. August 1831.