Feldzug der Holländer in Belgien. 77
kam Hilfe aus Frankreich. Leopold hatte sich alsbald nach London und
Paris gewendet und von Ludwig Philipp die Antwort erhalten: die Fran-
zosen würden sogleich zur Stelle sein, um Belgiens Neutralität und „den
durch den König der Niederlande so töricht gestörten Frieden“ zu sichern;
„meine beiden ältesten Söhne, auch jener, für den ich die Krone, welche
Sie tragen, nicht angenommen habe, werden das Heer begleiten.“)
So gab der Staat, der den Grundsatz der Nicht-Intervention aufge-
stellt, selber das Beispiel einseitiger Einmischung. Die Phrase ward zu
Schanden vor der Macht der Tatsachen; denn duldete Ludwig Philipp
die militärische Uberwältigung Belgiens, die doch nicht mehr zu einer
dauernden Unterwerfung führen konnte, so war der Thron der Orleans
unzweifelhaft verloren, der Radikalismus kam in Paris obenauf und
entfesselte den allgemeinen Krieg. Während die englische Flotte sich bei
Dover versammelte, rückte Marschall Gerard mit 40 000 Mann in Belgien
ein. Am 12. August erschien der Herzog von Orleans in Brüssel. Auf
die erste Aufforderung der Franzosen hielten die Holländer in ihrem
Siegeszuge inne und räumten das belgische Gebiet. Zugleich ließ Perier
nach allen Seiten hin beschwichtigende Erklärungen ergehen: Frankreich
handle ohne Hintergedanken, nur im Namen der fünf Mächte, da die
Zeit nicht erlaubt habe, die Londoner Konferenz selber zu befragen; das
möge peinlich sein „für die großmütige Seele des Königs von Preußen“,
aber in Paris wie in Berlin wolle man dasselbe: die Neutralität Belgiens
und den allgemeinen Frieden; auch werde das französische Heer weder
holländisches Gebiet betreten noch sich der preußischen Grenze nähern.)
Die Versicherungen des Ministers waren ehrlich gemeint; doch anders
dachten die französischen Truppen. Hier träumte man nur von einem
großen Kriege; General Lawoestine trat gegen die Holländer, als er die
Einstellung der Feinseligkeiten verlangte, anmaßend und höhnisch auf;??)
seine Offiziere meinten in den Reihen der Holländer schon preußische
Bataillone zu bemerken und forderten laut Vergeltung für Waterloo.
Das preußische Kabinett ward durch den Friedensbruch der Holländer
peinlich überrascht. König Wilhelm setzte sich dadurch offenbar ins Un-
recht, da er ja selber die Vermittlung der Londoner Konferenz angerufen
und den Waffenstillstand angenommen hatte. Darum konnte Preußen
ein Unternehmen, das die ganze mühsame Friedensarbeit der Konferenz
wieder in Frage stellte, nicht unterstützen; sein Militärbevollmächtigter,
Oberstleutnant von Scharnhorst, der im Hauptquartiere des Prinzen von
Oranien dem kurzen Feldzuge zusah, hatte einen schweren Stand, er
durfte den klagenden Holländern durchaus keine Hilfe in Aussicht stellen.
*) König Ludwig Philipp an König Leopold, 4. August 1831.
*“) Sebastiani an Graf Flahault, 5. August. Bülow an Nagler, 6. August 1831.
*“ ) Bericht des Oberstleutnants v. Scharnhorst an den König, Tirlemont
14. August 1831.