Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Vierter Teil. Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. (27)

Die 24 Artikel der Londoner Konferenz. 79 
sich unterstehen dürfen, seinen König zur Beraubung des Hauses Oranien 
zu verleiten! 
Durch alle diese Zettelungen wurde die Kriegsgefahr wieder näher 
gerückt. Zar Nikolaus knirschte vor Zorn, als er den Einmarsch der 
Franzosen erfuhr. Er ließ den deutschen Mächten feierlich versichern — 
dies seien seine eigenen Worte —: augenblicklich werde sein Reich noch 
durch innere Verlegenheiten, durch den polnischen Krieg und die Cholera 
gehemmt; aber „wenn ihm auch nur ein einziges Regiment zur Verfügung 
bliebe, so würde er es senden, um in den Reihen des österreichischen und 
preußischen Heeres zu kämpfen, damit im Angesichte Europas die unzer— 
trennliche Verbindung der drei Mächte des Festlandes sich bewähre.“*) 
Als Rußland bald darauf durch den Fall von Warschau wieder freie 
Hand erhielt, schlug Metternich den Ostmächten vor, ihr altes Bündnis 
enger zu schließen, einen ständigen diplomatischen Ausschuß, ein centre 
d'entente zur Leitung der gemeinsamen Politik einzusetzen, da auf Eng— 
land doch nicht mehr zu rechnen sei. ) Der Plan gelangte jedoch nicht 
zur Reife. Das Friedensbedürfnis war überall zu stark; alle Mächte 
wünschten den leidigen belgischen Handel endlich aus der Welt zu schaffen. 
Die Londoner Konferenz nahm ihre Versöhnungsversuche wieder auf, 
jetzt aber mit etwas veränderter Gesinnung. Die Kriegstaten des hollän- 
dischen Heeres übten doch ihre Wirkung, Belgien war durch seine offen- 
barte Schwäche tief in der allgemeinen Achtung gesunken, die Ostmächte 
bestanden darauf, daß der unbeugsame Organier nicht allzu hart behandelt 
würde.)Am 14. Oktober stellte die Konferenz in Vierundzwanzig 
Artikeln neue Friedenspräliminarien fest, welche für Holland günstiger 
lauteten als die Achtzehn Artikel; der Streit über die Grenzen sollte da- 
durch entschieden werden, daß Belgien einen Teil der Provinz Limburg 
abtrat und dafür die westliche Hälfte von Luxemburg eintauschte — immer 
mit Vorbehalt der Rechte des Deutschen Bundes. Die Belgier murrten; 
ihr König aber sah weiter, er verkannte nicht, daß sein ungerüsteter Staat 
keinen Widerstand wagen durfte, und nahm die Vierundzwanzig Artikel 
an. König Wilhelm hingegen hatte aus den Erfolgen seines Heeres neuen 
Mut geschöpft und ließ in Berlin durch Prinz Albrecht von Preußen 
schroff erklären, „den schmachvollen Untergang Hollands“ könne er nimmer- 
mehr genehmigen. Dabei blieb er, auch als die preußische Regierung ihm 
in einer ausführlichen Denkschrift vorhielt, daß Holland nach den Vier- 
undzwanzig Artikeln noch immer ein größeres Gebiet behalte als zu den 
Zeiten der Republik.#f) Der kluge Koburger hatte also nochmals die großen 
*) Nesselrode an Tatistschew, in Berlin überreicht 30. Aug. 1831. 
*“) Ancillon an Maltzahn, 23. Sept. 18.Okt., Nesselrode an Tatistschew, 7.Okt. 1831. 
*“) Nesselrode an Lieven, 17. Nov. 1831. 
) Witzleben an Ancillon, 22. Okt. Eichhorns Denkschrift über die niederländische 
Frage, 25. Okt. 1831. 
  
 
	        
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