Einführung der Bundesinspektionen. 97
Dem alten Könige war kurz vor seinem Tode noch einmal recht
deutlich geworden, was von der Opferwilligkeit seiner deutschen Bundes—
genossen zu erwarten sei. Damals (1839) hatte er mit einem Aufwande
von Millionen drei seiner Armeekorps auf Kriegsfuß gesetzt, um den end—
lichen Abschluß des schmählichen Luxemburgischen Streites zu erzwingen,
und bei diesem Unternehmen, das doch allein der Sicherung des Bundes—
gebietes galt, am Bunde keinerlei Unterstützung, nicht einmal durch
Worte gefunden. Jetzt mußte sein Nachfolger, kaum auf den Thron
gestiegen, schon die gleiche Erfahrung machen. Er konnte sich nicht mehr
darüber täuschen, daß die kleinen Höfe gern bereit waren, sich durch Preu—
ßens starken Arm aus der Not retten zu lassen, aber nicht im mindesten
beabsichtigten, die schimpfliche Wehrlosigkeit, welche ein volles Drittel des
tapfersten aller Völker daniederhielt, zu beseitigen. Trotz alledem hielt der
neue König seine Bundesreformpläne fest; an der Bildsamkeit dieser treff—
lichen Bundesverfassung wollte er nimmermehr verzweifeln. Am 6. Januar
1841 sendete er an die Wiener Gesandtschaft einen Erlaß, worin er bestimmt
aussprach, er werde allein vorgehen, falls Osterreich seine Mitwirkung ver—
weigere.“) Diese Drohung wirkte für den Augenblick. Auf Preußens
Andrängen beschloß der Bundestag (29. Juni), daß fortan aller drei
Jahre Bundesinspektoren sich von dem Zustande der Streitkräfte der ver—
bündeten Staaten überzeugen sollten,““) und noch im Herbste 1841 wurde
die erste Bundesinspektion ins Werk gesetzt.
Also doch endlich ein bescheidener Fortschritt, denn bisher waren
nur die lächerlichen Truppen der Reserve-Infanteriedivision von Bundes
wegen gemustert worden. Der Beschluß kam unter schweren Kämpfen zu
stande; manche der wohl durchdachten Vorschläge des Obersten Radowitz,
der jetzt seinen Sitz in der Bundesmilitärkommission wieder eingenommen
hatte, mußten geopfert werden. Österreich zeigte eine wohlbegreifliche
Scheu, sein aus so verschiedenen Völkerschaften gemischtes Heer dem Ur-
teile von Ausländern zu unterwerfen. Die Mecklenburgischen Höfe
hatten ihren Bundesgesandten Schack bereits angewiesen, gegen die Bundes-
inspektion förmliche Verwahrung einzulegen, und gaben erst nach, als König
Friedrich Wilhelm seine Verwandten in Strelitz persönlich besucht hatte.
Ihre trotz der Bundesgesetze gänzlich verwahrlosten Reserven wollten die
Kleinstaaten schlechterdings nicht mustern lassen; Mecklenburg erklärte
entrüstet: „die jährliche Einberufung der Reserve wäre eine wahre Landes-
kalamität.““?) Auch eine Bestimmung über die Dauer der jährlichen
Übungszeit ließ sich nicht durchsetzen. „Spezielle Zeitbestimmungen, meinte
Württemberg, würden hier nichts nützen, sondern schaden“, da alles auf
*) Maltzans Berichte, Jan. 1841.
**) Sydows Bericht, 24. Juni 1841.
*)ESydows Berichte, 13. Mai, 4. Juni 1841.
v. Treitschke, Deutsche Geschichte. V. 7